Berufsunfähigkeitsversicherung als Stütze
Das Risiko, seinen Beruf nicht mehr ausüben zu können, wird oft unterschätzt: Jede/r Vierte wird im Laufe seines Arbeitslebens mindestens einmal berufsunfähig. Dennoch sichern sich viele nicht ab: Befragungen zufolge beträgt der Anteil der Berufstätigen in Deutschland, die eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) abgeschlossen haben, bei Männern 61 Prozent und bei Frauen 42 Prozent.
Bist du länger oder dauerhaft aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage, deinen zuletzt ausgeübten Beruf zu mehr als 50 Prozent auszuüben, zahlt die BU dir eine Rente. Ist sie hoch genug angesetzt, hilft diese Summe, deinen Lebensstandard zu halten oder wenigstens, die finanziellen Sorgen etwas abzumildern. (Wie du deine Rentenlücke berechnest, erfährst du hier.)
Für wen ist eine Berufsunfähigkeitsversicherung wichtig?
Welche Versicherungen braucht man wirklich? Sinnvoll ist die Berufsunfähigkeitsversicherung prinzipiell für alle Beschäftigten. Vielleicht denkst du, dass du bei einem vermeintlich ungefährlichen Bürojob keinen Schutz vor Berufsunfähigkeit brauchst? Da täuschst du dich leider. Denn die häufigsten Gründe sind Erkrankungen der Psyche wie Burnout oder Depressionen und Erkrankungen des Skelett- und Bewegungsapparats, danach folgen Krebs, Erkrankungen des Herzens, Unfälle und sonstige Erkrankungen. Berufsunfähigkeit kann also jede:n treffen. Für die meisten Berufstätigen ist die eigene Arbeitskraft die einzige Einkommensquelle für den Lebensunterhalt. Dieser Fakt macht eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) unverzichtbar.
Aber auch für Auszubildende, Studierende und junge Berufstätige ist der Schutz wichtig, weil in den ersten fünf Berufsjahren noch keine Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung bestehen. Auch Hausfrauen und Hausmänner sollten an eine Absicherung denken. Wenn aus gesundheitlichen Gründen beispielsweise die Haushaltsführung und die Betreuung der Kinder nicht mehr zu schaffen ist, tut sich eine große finanzielle Lücke auf. Eine BU kann abgeschlossen werden, wenn du gerade nicht berufstätig bist und dich um den Haushalt kümmerst. Hast du bereits eine BU abgeschlossen und steigst dann (temporär) aus dem Job aus, bleibst du auch als Hausfrau oder Hausmann versichert. Und einige Expert:innen empfehlen den Abschluss sogar für Kinder.
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Neben der gesetzlichen Rente kannst du zusätzliche Rücklagen bilden, die dein:e Arbeitgeber:in mit dir gemeinsam anspart. Die betriebliche Altersvorsorge, kurz bAV, ist ein Modell, das du dir auf jeden Fall ansehen solltest. Lohnt sich so eine Altersvorsorge über den Arbeitgeber wirklich?
Was kostet die BU?
Günstig ist eine BU oft nicht. Die Beitragshöhe richtet sich nach deinem ausgeübten Beruf, außerdem spielen eventuelle Vorerkrankungen und gefährliche Hobbys bei der Einstufung eine Rolle. Denn das Versicherungsunternehmen schätzt ein, wie hoch das Risiko ist, dass du irgendwann tatsächlich berufsunfähig wirst. Jede Versicherung stellt vor Abschluss viele Fragen zu deinem Gesundheitszustand und lässt sich im Zweifelsfall auch Unterlagen vorlegen.
Tipp: Gesundheitsfragen nicht auf die leichte Schulter nehmen. Beantworte die Gesundheitsfragen unbedingt wahrheitsgemäß – am besten mithilfe deiner Ärzt:innen und den Behandlungsunterlagen. Denn wenn du aufgrund von Vorerkrankungen im Beruf ausfällst, die du der Versicherung verschwiegen hast, kann die Versicherung die Zahlung verweigern. Deshalb ist es auch absolut empfehlenswert, die Berufsunfähigkeitsversicherung möglichst früh abzuschließen. Wer jung und gesund ist, kann sich günstigere Tarife sichern – für das ganze Erwerbsleben.
Was ist von der gesetzlichen Rentenversicherung zu erwarten?
Mit der Erwerbsminderungsrente bietet dir die gesetzliche Rentenversicherung bei Invalidität einen Schutz – der ist aber eher klein. So erhältst du die volle Erwerbsminderungsrente erst dann, wenn du aus gesundheitlichen Gründen täglich nur noch weniger als drei Stunden irgendeiner Tätigkeit nachgehen kannst. Um den gewohnten Lebensstandard zu halten, reicht diese gesetzliche Erwerbsminderungsrente sicherlich nicht aus: Sie beträgt maximal 34 Prozent des letzten Bruttogehalts. Wie du deinen Rentenbescheid richtig liest, erklären wir dir hier.
Berufs- und Erwerbsunfähigkeit – gibt es einen Unterschied?
Hast du eine private Unfallversicherung abgeschlossen, zahlt eine gute Versicherung bereits, wenn du deine zuletzt ausgeführte berufliche Tätigkeit zu 50 Prozent nicht mehr ausüben kannst. Vorsichtig solltest du sein bei Policen, die vorsehen, dass das Versicherungsunternehmen erst prüft, ob du in einem anderen Beruf tätig werden kannst und erst nach dieser Prüfung leistet. Die Klauseln in den Policen nennt man „abstrakte Verweisung„. Darauf sollte möglichst verzichtet werden.
Tipp: Keine Verweisung auf einen anderen Beruf vereinbaren! Eine sogenannte „abstrakte Verweisung“ bedeutet, dass die Versicherung berechtigt ist, die Zahlung zu verweigern in dem Fall, dass der/die Betroffene rein theoretisch noch in der Lage ist, in einem anderen, gleichwertigen Job tätig zu sein. Ob der/die Versicherte tatsächlich eine Anstellung findet, ist dabei unerheblich. Achte also darauf, dass in deiner Police auf diese Klausel komplett verzichtet wird!
Am besten geschützt bist du, wenn die BU dich vertraglich nicht auf einen anderen Beruf „verweisen“ darf. Erleidet beispielsweise eine Krankenpflegerin einen Bandscheibenvorfall und kann ihren Beruf nicht mehr ausüben, ist sie damit für die Versicherung berufsunfähig. Unabhängig davon, ob sie noch Bürotätigkeiten verrichten könnte.
Eine private Erwerbsunfähigkeitsversicherung leistet erst dann, wenn du nahezu 100 Prozent invalide bist. Also wenn du nicht in der Lage bist, weder deinem Job noch irgendeiner anderen beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Keine Rolle spielen dabei Qualifikation, Erfahrung oder Arbeitsmarktlage. Sie ist daher keine Alternative zur BU.
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Gibt es Alternativen zur BU?
Eine Unfallversicherung zahlt, wie der Name schon sagt, nur nach einem Unfall, in dessen Folge es zu einer dauerhaften Beeinträchtigung gekommen ist. Das heißt, sie zahlt nicht bei einer Berufsunfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen, die statistisch viel häufiger vorkommt. Eine Dread-Disease-Versicherung (dread disease, auf Deutsch: schwere Erkrankung) zahlt nur bei bestimmten schweren Krankheiten wie zum Beispiel Krebs oder Schlaganfall – unabhängig davon, ob man berufsunfähig ist/wird oder nicht. Im Gegensatz zur BU wird das Geld in einer Summe ausgezahlt und nicht in Form einer monatlichen Rente. Als Alternative ist die Dread-Disease-Versicherung nur dann sinnvoll, wenn du (z.B. aus gesundheitlichen Gründen) weder eine Berufsunfähigkeitsversicherung noch eine Erwerbsunfähigkeitsversicherung abschließen kannst. Auch eine Invaliditätsversicherung ist nur dann eine Alternative zur BU, wenn aufgrund von Vorerkrankungen der Abschluss einer BU nicht möglich ist.
Welche Höhe und Dauer sind sinnvoll?
Die Höhe der vereinbarten BU-Rente sollte sich an deinem aktuellen Einkommen orientieren. Als Faustregel solltest du mindestens 75 Prozent deines letzten Nettoeinkommens absichern. Wähle eine Berufsunfähigkeitsrente, mit der du deine laufenden Kosten für Wohnen, Familie, Versicherungen und Lebensmittel finanzieren könntest. Im Idealfall deckt die Rente deine Verpflichtungen wie Altersvorsorge, Steuern und ggfs. Krankenversicherungsbeiträge ebenfalls ab. Sinnvoll ist, sie bis zum Eintritt des Rentenalters, also zum Beginn der Altersrente laufen zu lassen.
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Kann ich die vereinbarte BU-Rente gegen die steigende Inflation absichern?
Die Inflation führt uns gerade vor Augen, dass viele Dinge des täglichen Bedarfs von Lebensmitteln bis Strom und Benzin teurer werden. Mit der BU-Versicherung vereinbarst du allerdings eine feste monatliche Rentenzahlung. Da ist die Frage berechtigt, ob sich mit der Summe in einigen Jahren oder gar Jahrzehnten im Versicherungsfall der Lebensunterhalt bestreiten lässt. Dafür gibt es die Möglichkeit, eine Beitragsdynamik zu vereinbaren, bei der der Beitrag regelmäßig steigt und damit auch die versicherte Rentensumme. Oder du schließt eine Leistungsdynamik ab, bei der die ausgezahlte Rente regelmäßig um einen schon bei Vertragsbeginn festgelegten Prozentsatz steigt. Diese Policen sind dann natürlich auch teurer.
Je früher, desto besser: Informiere dich!
Je jünger und gesünder du bei Abschluss der BU bist, umso besser. Denn desto günstiger sind die Versicherungsbeiträge. Lass dich vor Abschluss einer BU umfassend beraten und hole verschiedene Angebote ein! Die BU ist keine Police, die man kurz mit ein paar Klicks im Netz abschließt. Versicherungen, die das anbieten, sind mit Vorsicht zu betrachten. Eine Berufsunfähigkeitsversicherung läuft viele Jahre – ein ganzes Erwerbsleben lang. Deshalb solltest du dir Zeit nehmen und gründlich prüfen, bevor du einen Vertrag abschließt.
Einen guten Überblick erhältst du bei der Stiftung Warentest. Sie hat 71 Berufsunfähigkeitsversicherungen getestet.