Lebensversicherung: Top oder Flop?
Lebensversicherungen waren mal der Deutschen liebste Finanzprodukte. Doch inzwischen fragen sich viele: Lohnt meine Police noch? Und Welche Versicherung braucht man wirklich? Eine Antwort hat kaum jemand. Daher erklären wir Schritt für Schritt, wie du überschlagsmäßig die Rendite deiner eigenen Police ermittelst. Und wie viel eine alternative Anlage bringen müsste, damit am Ende gleich viel herauskommt.
Voraussetzung ist, dass deine Versicherung keine Dynamik hat, sprich: Dass die Beiträge über die Laufzeit konstant bleiben. Die meisten Lebensversicherungen sind Kombi-Produkte, bei denen Todesfall- und Berufsunfähigkeits-Schutz mit Vermögensaufbau kombiniert werden. Darum muss zunächst ermittelt werden, wie viel Geld in diese „Zusatzbausteine“ fließt und wie viel tatsächlich für den Vermögensaufbau da ist. Würden wir mit der gesamten Versicherungsprämie rechnen, wäre das so, als ob du Kartoffeln, Pralinen und Sekt einkaufst, und nach dem Blick auf den Kassenbon sagst: „Oh, die Kartoffeln sind aber teuer.“ Wir müssen also die Police von allem Ballast befreien, bis nur noch die Vermögensbildung übrig ist. Klingt schwierig, ist aber kein Hexenwerk. Alles, was man dafür benötigt, sind:
- Lebensversicherungspolice
- aktuellste Standmitteilung
- Internetanschluss
- Excel oder Taschenrechner
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Weiterzahlen oder kündigen? Hier kommt unsere 15 Schritte Checkliste
1. Laufzeit berechnen
Aus der Police übernimmst du zunächst die Daten zu Versicherungsbeginn und -ende. Daraus errechnest du die Laufzeit der Police.
2. Gesamtpreis berechnen
Notiere die Höhe des Monatsbeitrags. Aus diesem errechnest du, wie viel dich die Police über die gesamte Laufzeit (Schritt 1) kostet. Beispiel: Im Monat kostet deine Police 352,50 Euro. Über die Laufzeit summiert sich das auf 150.517,50 Euro.
3. Zusatzkosten aufdecken
Prüfe als nächstes, ob die Police Zusatzbausteine enthält, etwa eine Berufsunfähigkeitsabsicherung (BU). Falls ja, notiere, wie hoch die monatliche BU-Rente wäre. Achtung: Wenn die Police im BU-Fall beitragsfrei gestellt wird, ist auch der eingesparte Monatsbeitrag zu addieren. Im Beispiel: 1220,27 Euro.
4. Höhe der Ablaufleistung
Übernimm aus der aktuellsten Standmitteilung die Höhe der Ablaufleistung (garantiert und nicht garantiert), die der Versicherer dir zum Vertragsende bei derzeitiger Verzinsung insgesamt in Aussicht stellt. Im Beispiel: 185.551,93 Euro.
5. Stornokosten
Aus der aktuellen Standmitteilung ist auch zu ersehen, was dir bei einer Kündigung der Police zum nächsten Kündigungstermin ausgezahlt würde. Jetzt kannst du den Gesamtbetrag aus garantierten und nicht garantierten Leistungen abzüglich eines eventuellen „Stornoabzugs“ errechnen. Im Beispiel: 29.242,00 Euro.
6. Differenz errechnen
Errechne die Differenz zwischen den beiden Auszahlbeträgen. So viel muss eine alternative Geldanlage bis zum regulären Vertragsende mindestens bringen, damit du nicht schlechter dastehst, als wenn du bis zum Schluss durchgehalten hättest. Im Beispiel: 156.309,93 Euro.
7. Fristen errechnen
Nun ermittelst du aus dem nächsten Kündigungstermin und dem Ablaufdatum der Police, wie viel Zeit bleibt, um die in Schritt 6 errechnete Differenz auszugleichen. Im Beispiel: 26,5 Jahre.
8. Beitragsanteile aufschlüsseln 1
Schlüsselt dein Versicherer exakt auf, welche Beiträge für jeden Bestandteil der Police fällig werden, übernimm den Beitragsanteil, der auf die „Altersvorsorge“ oder „Kapitalbildung“ entfällt (Schritt 10 „Bereinigter Beitrag zur Altersvorsorge“). Im Beispiel: 244,57 Euro. Dann kannst du gleich mit Schritt 11 weitermachen.
Falls keine Aufschlüsselung erfolgt: Gehe im Internet auf ein Vergleichsportal wie Check 24 oder Verivox und rufe den Vergleich von BU-Versicherungen auf. Mache dort korrekte Angaben zur versicherten Person – also zu dir – Alter, Geschlecht, Beruf, Gesundheit etc. Gib als gewünschte BU-Rente möglichst genau den Betrag ein, den deine Versicherung im Fall des Falles zahlen würde (Schritt 4).
Wichtig: Wähle als Vertragslaufzeit genau den Zeitraum ab dem nächsten Kündigungsdatum bis zum regulären Vertragsende (Schritt 7). Aus den Ergebnissen nimmst du vom günstigsten Angebot den Monatsbeitrag. Im Beispiel: 77,52 Euro. Hintergrund: Diesen Betrag müsstest du bis zum Ablauf deiner Lebensversicherung mindestens für den BU-Schutz zahlen. Er steht also nicht für den Vermögensaufbau zur Verfügung.
9. Beitragsanteile aufschlüsseln 2
Wir wiederholen Schritt 8 – nur diesmal für eine Risikolebensversicherung. Wähle als Todesfallleistung die Summe, die dein Versicherer im Erlebensfall zahlen würde (Schritt 4) – mehr gibt’s auch bei Tod nicht. Im Beispiel kostet die günstigste 30,41 Euro im Monat. Auch dieses Geld ist für den Vermögensaufbau futsch.
10. Kapital für Vermögensaufbau berechnen
Nun ziehen wir von der monatlichen Versicherungsprämie (Schritt 2) die soeben ermittelten Beiträge für den BU-Schutz (Schritt 8) und die Risikolebenspolice (Schritt 9) ab. Das Ergebnis (im Beispiel: 244,57 Euro) gibt an, wie viel Kapital maximal in den Vermögensaufbau fließt.
11. Beitrag für Vermögensaufbau berechnen
Errechne – analog zu Schritt 2 – die Beitragssumme, die ausschließlich für den Vermögensaufbau aufgewendet worden sein kann. Also: bereinigter Beitrag mal gesamte Vertragslaufzeit in Monaten. Im Beispiel: 244,57 Euro x 427 (Monate). Insgesamt 104.431,39 Euro.
12.Ergebnis deiner Rendite
Wenn du nun die bereinigte Beitragssumme aus Schritt 11 von der möglichen Gesamtleistung zum Vertragsende (Schritt 4) abziehst, dann hast du die nominale Rendite deiner Lebensversicherung. Im Beispiel: 81.120,54 Euro.
13. Zinssatz berechnen
Nun zur prozentualen Rendite. Dafür gehst du im Web auf eine Seite mit Finanzrechnern. Etwa www.zinsen-berechnen.de. Wähle dort den „Sparrechner für regelmäßige Sparraten“ aus. Klicke in der Spalte „Was berechnen?“, den Punkt „Zinssatz“ an. Gib in der Spalte „Kenndaten“ bei „Anfangskapital“ 0,00 Euro ein. Bei „Sparrate“: den bereinigten Beitragssatz aus Punkt 10 (Im Beispiel 244,57 Euro); „Sparintervall“: monatlich; „Einzahlungsart“: vorschüssig; „Dynamik“: keine; „Zinsperiode“: jährlich; „Zinseszins“: ja; „Ansparzeit“: Laufzeit der Police aus Schritt 1 (Im Beispiel 427 Monate); „Festlegungsfrist“: 0 Jahre; Bei „Endkapital“ trage die mögliche Gesamtleistung bei Ablauf aus Schritt 4 ein (Im Beispiel 185.551,93 Euro). Drücke dann auf „Berechnen“. Das Tool wirft dir anschließend bei „Zinssatz“ die jährliche Rendite aus, die deine Lebensversicherung mit dem Beitragsanteil zur Vermögensbildung erwirtschaftet. (Im Beispiel knapp 3,01 Prozent).
14. Alternativen vergleichen
Wir bleiben auf der Seite mit den Finanzrechnern. Und ermitteln, wie hoch bei einer Kündigung der Police die Rendite einer alternativen Geldanlage sein müsste, damit du am Tag des regulären Versicherungsablaufs genauso viel Vermögen hättest. Dafür gibst du bei „Anfangskapital“ die mögliche Gesamtleistung zum nächsten Kündigungstermin an (Schritt 5; Im Beispiel 29.242,00 Euro), als „Sparrate“ trägst du den bereinigten Monatsbeitrag aus Schritt 10 (Im Beispiel 244,57 Euro) ein und als „Ansparzeit“ die Zeit bis zum regulären Vertragsende aus Schritt 7 (Im Beispiel 26,5 Jahre oder 318 Monate). Die Angaben zum Endkapital und alle anderen Einstellungen bleiben wie in Schritt 13. Drücke „Berechnen“. Das Tool wirft nun bei „Zinssatz“ die Rendite aus, die eine alternative Geldanlage mindestens bringen muss, damit du so gut dastehst, als wenn du bis zum Ende durchhältst (Im Beispiel knapp 3,1 Prozent im Jahr).
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Fazit: Lohnt sich die Lebensversicherung noch?
15. Zeit zu wechseln?
Nun hast du alle Daten und musst dir darüber klar werden, ob dir die Rendite genügt, die der kapitalbildende Teil deiner Police abwirft. Zudem musst du dir die Frage stellen: Glaubst du, eine alternative Anlage finden zu können, die mindestens ebenso viel abwirft wie die Police und die dich nachts trotzdem ruhig schlafen lässt?
Gegenüber unserer Beispielpolice sind Fest- und Tagesgeldangebote, Banksparpläne sowie bonitätsstarke Anleihen zu renditeschwach, um besser abschneiden zu können. Die Zinsen steigen aktuell nicht mehr und drohen 2024 sogar, wieder zu sinken. Bleiben lediglich Sparpläne auf gute globale Aktienfonds oder günstige, breit streuende ETFs. Diese sind langfristig deutlich renditestärker, aber kurzfristig kann ein Börsencrash einen (Groß-) Teil deines Kapitals vernichten. Daher solltest du in diese Anlageprodukte wirklich nur einsteigen, wenn das reguläre Vertragsende deiner Lebensversicherung noch mindestens zehn Jahre oder länger entfernt ist.
Tipp: Du blickst nicht durch im Versicherungswirrwarr? Wir klären auf: Welche Versicherungen braucht man wirklich?