„Teilzeit? Klingt gut, bis du merkst, dass deine Rente auch Teilzeit arbeitet“ ist einer der Sprüche auf den Plakaten, die in den letzten Wochen in der Düsseldorfer Innenstadt für Aufmerksamkeit sorgten. Keine Initiative des Bundesministeriums für Finanzen – sondern ein Studien-Projekt mit großer gesellschaftlicher Relevanz. Entwickelt von Michelle Litke, die Kommunikationsdesign an der Hochschule Düsseldorf studiert. Im Rahmen ihrer Bachelorarbeit entwickelte sie die Kampagne für den öffentlichen Raum Düsseldorf, mit der sie die finanzielle Unabhängigkeit von Frauen fördern möchte.
Wie kam die Idee zu dieser Kampagne zustande? Gab es ein persönliches Erlebnis oder eine Beobachtung, die dich dazu inspiriert hat?
Die Idee zur Kampagne hat sich für mich aus Beobachtungen in meinem persönlichen Umfeld ergeben. Dabei ist mir ein deutlicher Unterschied aufgefallen: Während viele Männer bereits früh beginnen, sich mit Themen wie Vermögensaufbau und Altersvorsorge auseinanderzusetzen, bleiben Frauen hier oft zurückhaltend. In meinem Bekanntenkreis beschäftigen sich die Männer bereits während ihrer Ausbildung, im Studium oder als Berufseinsteiger aktiv mit ihren Finanzen, tauschen regelmäßig ihre Erfahrungen aus und ergreifen gezielt Maßnahmen, um Vermögen aufzubauen.
Im Gegensatz dazu fühlen sich viele meiner Freundinnen bei Themen wie Finanzen und Vorsorge schlecht informiert und schieben diese oft auf. Meine Freundinnen befinden sich in unterschiedlichen Lebenssituationen: einige stecken noch in der Ausbildung oder im Studium, andere sind bereits berufstätig, verheiratet oder haben Kinder. Trotz dem gibt es eine Gemeinsamkeit: Die meisten von ihnen kümmern sich nicht um ihre Finanzen oder überlassen finanzielle Entscheidungen Männern – meist ihrem Partner oder männlichen Familienmitgliedern.
Als Gründe nennen sie oft ihr geringes Einkommen, ein fehlendes Selbstvertrauen in die eigene finanzielle Kompetenz oder die Einschätzung, dass ihr Finanzwissen nicht ausreicht. Um Frauen zu motivieren selbst aktiv zu werden, ist es notwendig, die Dringlichkeit dieses Themas aufzuzeigen und ihnen bewusst zu machen, welche Konsequenzen die Untätigkeit haben kann. Die Kampagne setzt genau hier an: Sie soll Bewusstsein schaffen, Frauen direkt ansprechen und sie dazu ermutigen, Verantwortung für ihre finanzielle Zukunft zu übernehmen.
Als Kommunikationsdesignerin sehe ich es als meine Aufgabe, gesellschaftlich relevante Themen sichtbar zu machen. Durch visuelle Kommunikation kann ich komplexe Inhalte greifbar machen und dazu beitragen, dass sie in der Öffentlichkeit mehr Gehör finden.
Warum ist dir das Thema finanzielle Unabhängigkeit von Frauen besonders wichtig?
Mir liegt das Thema finanzielle Unabhängigkeit besonders am Herzen, weil leider zu viele Frauen in Deutschland finanzielle Entscheidungen ihrem Partner überlassen oder im schlimmsten Fall sich von ihrem Partner abhängig machen. Viele denken, das sei ein Problem älterer Generationen, aber tatsächlich betrifft es gerade junge Frauen Eine Studie des UBS Investor Watch zeigt, dass 63 % der Frauen zwischen 20 und 34 Jahren angeben, finanzielle Entscheidungen ihrem Partner zu überlassen. Die Gründe dafür sind häufig eine traditionelle Aufgabenverteilung in der Partnerschaft oder die Annahme, dass der Partner über mehr Finanzwissen verfügt (UBS Investor Watch, „Ihr Vermögen in Ihren Händen“, 2019).
Diese Passivität, verbunden mit dem ohnehin geringeren Einkommen vieler Frauen, führt zu starken finanziellen Nachteilen, besonders im Alter.

Warum hast du dich für eine Plakatkampagne im öffentlichen Raum entschieden und nicht für andere Formate wie Social Media oder Events?
Die Kampagne umfasst 50 DIN-A1-Plakate und ein Großflächenplakat, die im öffentlichen Raum in Düsseldorf ausgehängt wurden. Zusätzlich habe ich 100 Postkarten verteilt, den Instagram-Account starkefrauen_starkefinanzen eingerichtet und die begleitende Website www.starkefrauen-starkefinanzen.de entwickelt. Dabei übernimmt jedes Medium eine spezielle Rolle und unterstützt jeweils das andere. So verdichtet sich die Wirkung bei jeder Zielperson.
Der Fokus liegt auf Plakaten, weil sie eine niedrigschwellige, für alle zugängliche Form der Kommunikation sind. Sie sprechen Menschen unabhängig von sozialem oder kulturellem Hintergrund an – jeder, der an ihnen vorbeikommt, nimmt die Botschaft wahr. Während Inhalte in Social Media meist nur wenige Sekunden Aufmerksamkeit erhalten und oft in Sekundenbruchteilen weggeklickt werden sind Plakate beständiger präsent. Da Mobilität in unserem Alltag oft eine zentrale Rolle spielt, sind wir ständig im öffentlichen Raum unterwegs und Plakaten ausgesetzt. Sei es, dass wir an der Haltestelle auf die Bahn warten oder über die Straße laufen, Plakate befinden sich oft in unserem Blickfeld, ob wir wollen oder nicht.
Auf jedem Plakat und jeder Postkarte befindet sich ein QR-Code der zu meiner Website führt. Junge Frauen erhalten hier Schritt für Schritt einen besonders leichten Einstieg zur Stärkung ihrer finanziellen Handlungskompetenz.
Welche Herausforderungen hast du bei der Umsetzung deiner Kampagne erlebt – sei es in der Gestaltung, Finanzierung oder Genehmigung der Plakatflächen?
Die Größte Herausforderung bestand darin die richtige Ansprache für die Zielgruppe von jungen Frauen zu finden. Die Sätze auf den Plakaten sind durch eine lange Recherche, Expertengespräche und Gespräche mit der Zielgruppe entstanden.
Schnell wurde mir klar: Die Botschaften müssen provokant, direkt und einfach sein. Finanzthemen wirken auf viele Frauen kompliziert und abschreckend – deshalb habe ich bewusst auch humorvolle Elemente eingebaut, um die Hemmschwelle zu senken. Gleichzeitig war mir wichtig, dass die Ansprache auf Augenhöhe bleibt und nicht belehrend wirkt. Deshalb habe ich die direkte „Du“-Form gewählt, um Nähe und Identifikation zu schaffen. Eine weitere Herausforderung war das Zeitmanagement vom Druck der Plakate bis zum Aushang der Plakate. Zum Beispiel ob die Druckerei alle Plakate pünktlich liefert oder auch ob alle Plakate an den richtigen Stellen in Düsseldorf ausgehangen werden.
Welche Art von Reaktionen hast du bisher auf die Kampagne erhalten? Hast du Feedback von Frauen bekommen, die sich durch deine Plakate angesprochen fühlen?
Ich habe ein sehr positives Feedback von Frauen erhalten. Einige Frauen haben mir geschrieben, dass sie sich mit den Plakaten sehr gut identifizieren können und jetzt endlich loslegen wollen sich mehr um ihre Finanzen zu kümmern. Andere haben mir auch von Erfahrungen aus ihren Bekanntenkreisen erzählt, wie Frauen sich von ihrem Mann abhängig gemacht haben oder wie wenig Rente ihre Mütter bekommen, weil sie für die Kinderbetreuung größtenteils zuhause geblieben sind.
Einige Frauen fühlten sich durch die Botschaften ertappt, andere nahmen sie mit Humor und konnten über sich selbst lachen. Auch Wut und Frustration waren spürbar – ein Zeichen dafür, dass das Thema emotional bewegt. Besonders gefreut hat mich, dass auch Männer die Kampagne als wichtig empfunden haben und mir positives Feedback gegeben haben.

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Teilzeit und schmale Gehälter machen’s schwer. Welche Möglichkeiten der finanziellen Vorsorge für Mütter gibt es, wenn das Budget klein ist?
Was erhoffst du dir als langfristige Wirkung dieser Kampagne?
Mit der Kampagne erhoffe ich mir langfristig, dass Frauen ein größeres Bewusstsein für diese Problematik erhalten und sich früher anfangen Gedanken über ihre finanziellen Entscheidungen zu machen. Ich wünsche mir langfristig das Projekt noch weiter auszubauen und die Plakate in anderen Städten auszuhängen, sowie das Informationsangebot auf der Website zu erweitern.
Gibt es Pläne, das Projekt über die Bachelorarbeit hinaus weiterzuführen?
Ich bin zurzeit im Gespräch mit potenziellen Kooperationspartnern, die Interesse daran haben, meine Postkarten mit den Plakatbotschaften auf Events zu verteilen und das Thema weiter in die Öffentlichkeit zu tragen. Zudem prüfe ich, ob es Möglichkeiten gibt, die Kampagne auf andere Städte auszuweiten. Langfristig könnte ich mir vorstellen, auch neue Formate zu entwickeln wie zum Beispiel Workshops zur Förderung der finanziellen Handlungskompetenz von Frauen. Dafür bräuchte ich ExpertInnen auf dem Gebiet, die dazu Lust hätten ihre Expertise zu teilen.
Besonders spannend fände ich Kooperationen mit Bildungseinrichtungen oder Organisationen, die sich für finanzielle Bildung einsetzen. Ich würde mich sehr freuen, wenn das Projekt nicht nur ein einmaliges Bachelor-Projekt bleibt, sondern nachhaltig weitergeführt werden kann.