Perfektion ist Quatsch: Perfektionismus beenden
Lotta Katharina Laabs

Perfektion ist Quatsch: Wie wir uns vom Wahnsinn befreien

Erfolgreich Karriere und Familie wuppen: ein modernes Märchen? Wenn man es richtig anpackt, kann es klappen – meinen Miriam von Loewenfeld und Regine Büttner. Ihr Anti-Perfektionismus-Ratgeber ist eine Empowerment-Quelle für Mütter im Job.

Mit ihrem Buch „Perfektion ist Quatsch“ will das Mutter-Tochter-Duo Regine Büttner und Miriam von Loewenfeld Frauen bestärken, sich der Vereinbarkeit auf eine neue Art zu nähern. Der Ratgeber soll ein Erfolgsrezept für Karriere, Familie und Gesundheit sein. Spannend: Die beiden Karrierefrauen erzählen nicht nur von eigenen Erfahrungen. Für das Buch haben sie erfolgreiche Role Models wie Wiebke Ankersen, Geschäftsführerin der Allbright Stiftung, Malu Dreyer und Verena Hubertz, Politikerinnen aus zwei Generationen, Influencerin Annahita Esmailzadeh, Model und Unternehmerin Lena Gercke und Moderatorin Sylvie Meis interviewt und Impulse für mehr Authentizität und Selbstbestimmung gesammelt.

Miriam von Loewenfeld und Regine Büttner im finanzielle-Interview

Die Vereinbarkeit zwischen Job und Familie ist eine tägliche Herausforderung, die Sie beide zu spüren bekommen haben. Regine, Sie in den 80er Jahren, Miriam in den vergangenen Jahren. Was hat sich in der Arbeitswelt verändert und was muss unbedingt noch passieren?

Regine:
Ich habe in den 80er Jahren selbst erfahren, wie schwierig es war, als Frau beruflich erfolgreich zu sein und gleichzeitig eine Familie zu haben. Damals war es noch nicht üblich, dass Frauen Führungspositionen innehatten, und es gab kaum Unterstützung seitens der Unternehmen oder des Staates. Heute hat sich vieles verändert – es gibt flexiblere Arbeitsmodelle, Elternzeit für Väter und ein größeres Bewusstsein für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Doch es ist immer noch ein weiter Weg. Es fehlt an ausreichenden Betreuungsmöglichkeiten für Kinder, und die Rahmenbedingungen sind oft nicht familienfreundlich genug. Unternehmen und die Politik müssen sich weiterhin dafür einsetzen, dass Frauen wirklich die gleichen Chancen bekommen.

Miriam:
In den vergangenen Jahren habe ich gemerkt, dass Frauen immer mehr Chancen haben, Karriere zu machen, aber oft vor ungleichen Strukturen stehen. Wir brauchen weiterhin flexiblere Arbeitszeitmodelle und Unternehmen, die sich ihrer Verantwortung bewusst sind. Gleichzeitig müssen wir als Gesellschaft das Rollenbild des „versorgenden“ Mannes und der „kümmernden“ Frau aufbrechen. Ich sehe positive Entwicklungen, aber wir müssen auch politisch anpacken und die Infrastruktur verbessern.

Gab es einen Auslöser, das Buch zu schreiben?

Regine:
Für mich war es wichtig, unsere Erfahrungen zu teilen und Frauen Mut zu machen, ihre Karriere und ihr Privatleben in Einklang zu bringen. Ich wollte zeigen, dass es möglich ist, gegen Widerstände anzukämpfen und trotzdem Erfolg zu haben. Ich habe in den 80er Jahren viele Herausforderungen erlebt und möchte mit unserer Geschichte inspirieren.

Miriam:
Die Idee zum Buch kam, als ich selbst an einem Punkt war, an dem ich das Gefühl hatte, ständig den Perfektionismus erfüllen zu müssen. Ich wollte ein Zeichen setzen, dass es in Ordnung ist, nicht perfekt zu sein, und dass man erfolgreich sein kann, ohne immer alles im Griff zu haben. Meine Mutter hat mich immer dazu ermutigt, meinen Weg zu gehen, und ich wollte mit ihr zusammen dieses Buch schreiben, um Frauen zu helfen, ihre eigenen Ansprüche kritisch zu hinterfragen.

Welche Skills brauchen Frauen heute, um Job und Familie gesund zu vereinen?

Miriam:
Ich denke, Organisationstalent und ein gutes Zeitmanagement sind essenziell. Man muss sich bewusst machen, dass nicht alles perfekt sein kann. Es geht darum, Prioritäten zu setzen und auch mal „Nein“ zu sagen. Frauen sollten außerdem lernen, Unterstützung anzunehmen und sich ein starkes Netzwerk aufzubauen.

Regine:

Für mich ist auch die Fähigkeit wichtig, sich selbst nicht immer zu ernst zu nehmen und Humor zu bewahren. Frauen müssen lernen, ihre Ansprüche an sich selbst zu hinterfragen und Perfektionismus loszulassen. Es ist auch wichtig, offen mit dem Partner über die Aufgabenverteilung zu sprechen und sich gegenseitig zu unterstützen.

Miriam von Loewenfeld und Regine Büttner

Sie haben beide außergewöhnliche Karrieren aufgebaut: Regine, Sie als HR-Chefin und Mitglied des globalen Boards bei DHL Express, Miriam, Sie als Geschäftsführerin von Sephora und im LVMH-Konzern. Haben Sie unterschiedliche Erfolgsgeheimnisse? Welche sind es?

Regine:
Ich habe meine Karriere in einer Zeit gemacht, in der Frauen in Führungspositionen die absolute Ausnahme waren. Ich musste mich oft doppelt beweisen und viele Hindernisse überwinden. Mein Erfolgsgeheimnis war, immer dran zu bleiben, hart zu arbeiten und mich von Rückschlägen nicht entmutigen zu lassen. Ich habe gelernt, Entscheidungen zu treffen, ohne immer perfekt vorbereitet zu sein.

Miriam:

Ich sehe Erfolg als ein Zusammenspiel aus beruflicher und persönlicher Erfüllung. Für mich war es wichtig, auch Zeit für mich selbst und meine Familie zu haben. Mein Erfolgsgeheimnis ist, authentisch zu bleiben und immer wieder zu reflektieren, was mir wirklich wichtig ist. Es geht nicht nur um Karriere, sondern auch darum, ein erfülltes Leben zu führen.

Den Perfektionismus loslassen – das ist ein Schlüssel, um erfolgreich zu sein. Warum fällt uns das so schwer?

Regine:
Perfektionismus ist etwas, das vielen Frauen schon früh beigebracht wird. In meiner Generation war das Streben nach Perfektion der einzige Weg, um überhaupt als gleichwertig wahrgenommen zu werden. Es fällt uns schwer, loszulassen, weil wir glauben, dass wir nur dann gut genug sind, wenn wir in allen Bereichen glänzen.

Miriam:

In der heutigen Zeit wird der Druck durch Social Media noch verstärkt. Überall sieht man scheinbar perfekte Menschen mit perfekten Karrieren und perfekten Familien. Das setzt uns zusätzlich unter Druck, in jedem Bereich alles richtig machen zu wollen. Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass Perfektion eine Illusion ist und dass wir uns selbst erlauben sollten, nicht in allem perfekt zu sein.

Was ist nach Ihrer Erfahrung die effektivste Methode, die hohen Ansprüche an sich selbst in ein gesundes Gleichgewicht zu bringen?

Regine:
Wir müssen lernen, uns klarzumachen, was wirklich wichtig ist, und den Rest loszulassen. Es hilft, sich regelmäßig zu reflektieren und immer wieder zu prüfen, ob die eigenen Ansprüche noch im Verhältnis zu den verfügbaren Ressourcen stehen.

Miriam:

Ich mache mir To-Do-Listen und versuche, die Dinge, die mir zu viel Energie rauben, bewusst aus meinem Alltag zu streichen. Manchmal bedeutet das auch, sich bewusst für den gekauften Kuchen zu entscheiden und nicht für den selbstgebackenen, wenn das den Stress reduziert. Prioritäten setzen ist hier der Schlüssel.

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Wie können wir lernen, an den richtigen Stellen (wie zum Beispiel die Kekse vom Bäcker zum Kita-Fest mitzubringen und nicht den selbstgebackenen Kuchen) Energie und Zeit zu sparen? 

Miriam:
Eine Technik, die mir hilft, ist das Schreiben von Prioritätenlisten. Ich schaue, was wirklich dringend ist, und alles andere delegiere ich oder streiche es. Es ist in Ordnung, nicht alles selbst zu machen. Diese Technik hat mir geholfen, den Druck zu reduzieren und meine Energie auf die wichtigen Dinge zu fokussieren.

Regine:
Bei mir hat es geholfen, auch einfach mal „Nein“ zu sagen. Wir müssen lernen, Aufgaben abzugeben und nicht alles selbst in die Hand nehmen zu wollen. Das hat nichts mit Schwäche zu tun, sondern mit einer klugen Ressourcennutzung.

Stichwort Social Media und Linkedin: Ist das noch Inspiration oder triggert es permanent unseren Anspruch?

Miriam:
Social Media kann inspirierend sein, aber es ist auch leicht, sich von den perfekt inszenierten Bildern unter Druck setzen zu lassen. Ich selbst musste lernen, diese Plattformen bewusst zu nutzen und mich nicht von ihnen bestimmen zu lassen.

Regine:
Ich bin da eher kritisch. Gerade Plattformen wie instagram setzen Frauen oft unter Druck, noch perfekter sein zu wollen. Es ist wichtig, sich selbst Grenzen zu setzen und Social Media nicht als Maßstab für das eigene Leben zu nehmen.

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Im Buch geht es auch ums Thema Gesundheit, ein Aspekt, der im Gespräch mit Sylvie Meis großen Stellenwert hat. Wie kann ich kleine Rituale noch in einen vollen Tag integrieren, was hilft?

Regine:
Für mich sind es kleine Pausen, die ich mir bewusst gönne – sei es ein kurzer Spaziergang oder ein Moment der Stille mit einer Tasse Tee. Diese Rituale helfen mir, runterzukommen und wieder Energie zu tanken.

Miriam:
Ich versuche, jeden Tag ein bisschen Zeit für mich selbst einzuplanen. Das kann eine kurze Meditation sein oder ein Workout. Wichtig ist, dass diese Rituale in den Alltag integriert werden und nicht als zusätzlicher Stress empfunden werden.

Für Ihr Buch haben Sie Role Models wie Judith Williams, Lena Gercke interviewt. Was waren die drei größten Aha-Momente in den Gesprächen mit diesen Wonder Women?

Regine:
Ein Aha-Moment war, dass jede dieser Frauen Rückschläge erlebt hat und daraus gestärkt hervorgegangen ist. Ein weiterer Punkt war, dass Erfolg nicht linear verläuft und dass man immer wieder aufstehen muss. Und schließlich, dass jede Frau ihren eigenen Weg gehen muss – es gibt keine Universalformel für Erfolg.

Miriam:
Ein wichtiger Aha-Moment war, dass alle diese Frauen authentisch geblieben sind und sich nicht verbiegen ließen. Außerdem, dass sie alle gelernt haben, loszulassen und den Perfektionismus nicht an die erste Stelle zu setzen.

Es braucht ein gutes Netzwerk, um Vereinbarkeit stemmen zu können. Was, wenn Oma und Opa nicht unterstützen können und das Budget zu knapp ist, um Betreuung zu finanzieren?

Miriam:
Ich kenne das Problem aus meiner eigenen Erfahrung. Es ist wichtig, sich ein Netzwerk aufzubauen und nach kreativen Lösungen zu suchen, sei es durch Nachbarschaftshilfe oder auch durch Arbeitgeberprogramme. Manchmal ist es auch eine Frage der Organisation, um den Spagat zu schaffen.

Regine:
In meiner Zeit habe ich oft gesehen, dass es für viele Frauen schwierig war, wenn die Familie nicht helfen konnte. Der Staat muss hier mehr leisten. Aber ich habe auch gelernt, dass es wichtig ist, sich selbst Unterstützung zu organisieren, sei es durch Partnerschaften oder den Arbeitgeber.

Gerade Frauen, die in Teilzeit arbeiten, wird das Gefühl vermittelt, eine Führungsposition sei gar nicht möglich, schließlich arbeite der Rest des Teams in Vollzeit. Wie kann man auf solche Aussagen reagieren?

Regine:
Ich habe immer gesagt: Erfolg hat nichts mit der Anzahl der Arbeitsstunden zu tun, sondern mit den Ergebnissen, die man erzielt. Man muss selbstbewusst kommunizieren, welche Erfolge man auch in Teilzeit erreichen kann, und die Vorurteile proaktiv ansprechen.

Miriam:
Es ist wichtig, den eigenen Wert zu zeigen und klarzumachen, dass man trotz Teilzeit eine Führungsrolle übernehmen kann. Offene Kommunikation mit dem Vorgesetzten und ein klarer Plan sind hier entscheidend.

Wir sprechen häufig von der Rolle der Frau, da wir immer noch in tradierten Rollen feststecken. Was können Männer aus dem Buch lernen?

Regine:
Männer können lernen, wie wichtig ihre Unterstützung im Alltag ist. Es ist nicht nur die Aufgabe der Frau, für die Familie da zu sein. Wenn Männer mehr Verantwortung übernehmen, wird auch für Frauen der Weg in die Karriere leichter.

Miriam:
Männer sollten lernen, dass sie ein Teil der Lösung sind. Es geht darum, dass sie sich selbst hinterfragen und aktiv mithelfen, Gleichberechtigung zu schaffen – sowohl im Berufsleben als auch zu Hause.

Buch Perfektion ist Quatsch

Ihr Lieblingszitat aus dem Buch?

Beide:  

„Perfektion ist Quatsch.“ Es zeigt, dass es wichtiger ist, authentisch und zufrieden zu sein, als in jedem Bereich des Lebens perfekt zu wirken.

Mit Ihrer Firma Woman 360 bieten Sie eine ganzheitliche Beratung und Förderung von Frauen an. Wer kommt zu Ihnen und wie sieht Ihre Beratung konkret aus?

Miriam:  

Unsere Beratung umfasst Coachings und Workshops, die Frauen helfen sollen, sich selbst zu reflektieren und ihre eigenen Ziele zu definieren. Es geht darum, Frauen dabei zu unterstützen, ihren eigenen Weg zu gehen und Herausforderungen in der Karriere und im Leben zu meistern.

Als Mutter-Tochter-Paar ein Buch zu schreiben: Wer musste wen im Perfektionismus ans Werk häufiger bremsen?

Miriam:
Meine Mutter hat oft hohe Ansprüche an sich selbst, und manchmal musste ich sie daran erinnern, dass es in Ordnung ist, auch mal nicht perfekt zu sein. Wir beide haben uns gegenseitig immer wieder daran erinnert, dass wir nicht alles unter Kontrolle haben müssen.

Regine:
Ich glaube, ich musste Miriam eher dazu ermutigen, ihre eigene Balance zu finden. Sie ist oft sehr kritisch mit sich selbst, aber ich habe gesehen, wie sie gelernt hat, sich Freiräume zu schaffen und nicht immer perfekt sein zu wollen.

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