Frauen verdienen im Schnitt weniger als Männer – wie lässt sich das aufholen? Ein Schlüssel kann eine gut vorbereitete Gehaltsverhandlung sein. Wir haben Karrierecoach Susan J. Moldenhauer um Tipps gebeten.
Endlich mehr Geld: Richtig aufs Gehaltsgespräch vorbereiten!
finanzielle: Frauen verdienen weniger – eine selbsterfüllende Prophezeiung? Wirklich?
Moldenhauer: Ja, das ist es. Frauen fordern weniger als Männer. Sie sind mit weniger Einstiegsgehalt zufrieden, haken nicht nach oder verhandeln nach. 40 Prozent der Frauen fragen während ihrer gesamten Laufbahn nicht nach einer Gehaltsanpassung, zeigen Studien. Das führt dazu, dass der Gender Pay Gap zementiert wird.
Woher kommt diese Zurückhaltung?
Viele Frauen haben eine sehr, sehr kritische innere Stimme, wenn es um die eigene Leistung geht. Ich erlebe sehr oft Frauen, die sagen: Ich mache nur meinen Job. Sie haben dieses negative Bild: Wenn ich etwas fordere, spiele ich mich auf, werde laut und sorge für Unruhe. Dabei schwingen auch stereotype Rollenbilder mit: Frauen sollten nicht so bossy oder gar vorlaut auftreten. Das könnte zickig wirken.
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In Gehaltsverhandlungen ist die eigene Leistung das zentrale Argument.
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Wenn aber die Wertschätzung der eigenen Leistung fehlt, ist das einfach keine gute Voraussetzung, um in Verhandlungen Gehaltsforderungen Nachdruck zu verleihen.
Wie kommen wir da raus?
Die Herausforderung annehmen, aber sich selbst nicht zu sehr unter Druck setzen! Die Gehaltsfrage gehört zu meinem Job wie die täglichen Aufgaben; das Gehaltsgespräch ist ein normales Gespräch. Und mit jedem Gespräch gewinne ich Übung, Sicherheit, sammele Erfahrungen und werde besser.
Okay, also los. Schritt eins bei der Vorbereitung des Gehaltsgesprächs: Wie komme ich denn zu einem Gesprächstermin?
Ich würde meinen Chef oder meine Chefin nicht zwischen Tür und Angel, im Fahrstuhl oder bei der Weihnachtsfeier ansprechen. Ich würde ganz offiziell um einen Termin bitten – und zwar nicht unbedingt zum Thema Gehaltsanpassung, sondern zum Thema persönliche Weiterentwicklung und Perspektiven zum Beispiel. Etwa 45 Minuten Zeit wären gut.
Ich sollte auch kurz überlegen, wann es für das Unternehmen passt: Zeiten von Umstrukturierungen, wenn Projekte gerade gescheitert sind oder Engpässe auftreten, sind eher ungünstig. Außerdem würde ich Montage und Freitage vermeiden.
Aufs Gehaltsgespräch vorbereiten: Leistung dokumentieren
Wie kann ich mich auf das Gespräch vorbereiten?
Zuerst sollte ich mir darüber klarwerden, was ich durch meine Leistung an Mehrwert gebracht habe. Was habe ich erreicht? An welcher Stelle habe ich zur Verbesserung beigetragen? Meine Erfolge sollte ich unbedingt mit in das Gespräch bringen. Das kann zum Beispiel ein Erfolgstagebuch sein. Ich brauche Fakten, die meinen Wert und mein Verhandlungsziel untermauern. Die sollte ich parat haben.
Susan J. Moldenhauer ist Karriere- und Finanzcoach. In Gehaltsverhandlungen geht es nach Meinung der Finanzwirtin nicht nur um mehr Geld, sondern vor allem auch um Wertschätzung der persönlichen Leistung. Hier geht es zu ihrer Webseite.
In diesem Jahr ist Susan J. Moldenhauers Gehaltsratgeber für Frauen „Kenne deinen Wert!“ bei Eden Books erschienen. Darin geht sie das Thema von zwei Seiten an: Einmal analysiert sie die gesellschaftliche Entwicklung der vergangenen 100 Jahre. Andererseits ermutigt sie ihre Leser:innen, nicht darauf zu warten, dass sich strukturelle Probleme von allein lösen. Moldenhauer gibt Tipps, welche Verhandlungsstrategien funktionieren.
Ziele für das Gehaltsgespräch
Dann brauche ich eine klare Zielsetzung für das Gehaltsgespräch. Am besten lege ich mir drei Gehaltsziele zurecht. Als Maximalziel eine Summe, mit der ich rundum zufrieden wäre. Wie hoch diese Summe ausfällt, sollte ich unbedingt recherchieren:
- Was verdienen andere in meiner Position?
- Wie sieht es in der Branche aus?
Dann definiere ich mein Minimalziel, die unterste Schmerzgrenze, die aber mein Geheimnis bleibt. Zusätzlich habe ich noch eine Alternativgröße dazwischen als Stellschraube. Damit habe ich ein Verhandlungsspielfeld in meinem Kopf definiert, auf dem ich im Gespräch agieren kann.
Ins Rennen gehen sollte ich aber immer mit meinem Maximalziel! Das ist der Anker, den ich ins Gespräch reinwerfe, eine Referenzgröße, an der sich beide Gesprächspartner im Verlauf des Gesprächs orientieren.
Inflation, Energiekrise – da ist womöglich auch mein/e Arbeitgeber:in betroffen. Wie gehe ich damit um, wenn mir im Gehaltsgespräch gesagt wird, dass angesichts der Krisen Gehaltserhöhungen nicht drin sind?
In der derzeitigen Situation muss ich mit Gegenwind rechnen – bestimmt auch mit Verweis auf aktuelle Krisen. Ganz wichtig: Das sollte ich erstmal entgegennehmen und Verständnis für die schwierige wirtschaftliche Lage zeigen. Das gibt meinem Gegenüber ein besseres Gefühl und ist daher psychologisch vorteilhaft. Es eröffnet die Möglichkeit für einen weiterhin guten Gesprächsverlauf auf Augenhöhe.
Dann kann ich mit meiner Argumentation kommen: Den Blick auf Erfolge lenken, auf gemeinsame Anstrengungen, das Unternehmen durch schwierige Zeiten zu führen. Grundsätzlich ist es ja so, dass gute Mitarbeiter in diesen schwierigen Zeiten besonders wichtig sind für Unternehmen, um wieder in ruhigere Gewässer zu steuern.
Es gilt, das Gespräch lösungsorientiert zu führen und weniger Gegeneinander zu erzeugen.
Und wenn – auch nachdem ich das Gehaltsgespräch gut vorbereitet habe und gute Argumente habe – partout nichts zu machen ist?
Ich kann vorschlagen, sich zu vertagen und einen neuen Termin in vier bis sechs Wochen zu verabreden. Wichtig ist dann, im Gespräch zu bleiben.
Wenn es mit dem höheren Gehalt nicht klappt, könnte ich auch versuchen, etwas anderes zu verhandeln. Vielleicht bezahlt die Firma mal eine Fortbildung, die mir wichtig ist. Oder ich kann flexiblere Arbeitszeiten oder mehr Homeoffice aushandeln.
Wenn man gar nicht weiterkommt, kann man durchaus anklingen lassen, dass man sich anderweitig umschaut und möglicherweise einen Jobwechsel vorantreibt. Das würde ich aber nie als Drohung formulieren, sondern als Tatsache.
Und bitte nicht bluffen oder pokern nach dem Motto: Wenn ich jetzt nicht mehr Gehalt bekomme, dann bin ich weg. Eine Drohung in diesem Stil führt nur dazu, dass mein Gegenüber sich sagt: ‚Na, dann warte ich mal ab.‘ Damit setze ich mein Standing und im Zweifel auch meine Glaubwürdigkeit aufs Spiel.
Die No-Gos bei der Gehaltsverhandlung
Ehrlich sein, keine Drohungen. Gibt es weitere Tabus?
Ich sollte nicht über andere Kolleg:innen sprechen und deren Gehalt. Nicht ratsam sind außerdem private Bedürfnisse wie: Ich habe eine Familie zu versorgen, oder das Leben ist teuer geworden. Die Inflation als Argument für Gehaltssteigerungen kommt als Boomerang zurück. Dann wird mein Arbeitgeber sagen: Wir haben durch die Inflation auch viel höhere Preise.
Ein Gespräch mit dem oder der Vorgesetzten flößt vielen Respekt ein. Was tun bei weichen Knien und Muffensausen?
Da lässt sich in der Vorbereitung viel tun. Ein erster Schritt: Sich vor Augen führen, dass der Chef oder die Chefin auch nur ein Mensch ist mit einer bestimmten sozialen Rolle. Es hilft, so viel wie möglich über die Person in Erfahrung zu bringen und sich in sie hineinzuversetzen: Vor welchen Herausforderungen steht sie gerade? Wie geht es ihr? Denn je besser ich die Person kenne, umso besser kann ich im Gespräch eine Verbindung herstellen.
Zu Hause gern mal üben: Ich kann die Gesprächssituation simulieren, indem ich mir gegenüber einen Stuhl mit einem Platzhalter als Stellvertreter positioniere. Das kann eine Figur oder auch ein Kissen mit einem Namenschild aus Pappe drauf sein. Da passiert schon was im Kopf. Ich komme in die Situation und mein Gehirn kann nicht mehr unterscheiden, ob es eine Übung ist oder echt.
Ich kann das dann auch steigern und mit einer echten Person üben – vielleicht aus dem Freundeskreis – und Feedback einholen: Wie komme ich rüber, wenn ich eine Forderung stelle? Traust du mir das zu?
Der Chef oder die Chefin ist auch nur ein Mensch mit einer bestimmten sozialen Rolle.
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Neben der gesetzlichen Rente kannst du zusätzliche Rücklagen bilden, die dein:e Arbeitgeber:in mit dir gemeinsam anspart. Die betriebliche Altersvorsorge, kurz bAV, ist ein Modell, das du dir auf jeden Fall ansehen solltest. Lohnt sich so eine Altersvorsorge über den Arbeitgeber wirklich?
Und wenn dann der Tag gekommen ist?
Ich kann nur zu Gelassenheit raten. Wenn ich mir bewusst mache, dass Nervosität in Stresssituationen normal ist, senkt das schon etwas den Puls. Im Gespräch sollte ich mir Zeit nehmen, mir selbst Bedenkzeit einräumen. Ich muss nicht wie aus der Pistole geschossen antworten. Das nimmt Stress raus, gibt mir die Möglichkeit, etwas zur Ruhe zu kommen, meine Atmung zu kontrollieren. Mit diesen zwei kleinen Tricks kann ich schon viel erreichen.