Du bezeichnest dich selbst als finanziell unabhängige Frau und forderst auch andere Frauen auf, nicht zu jammern, sondern zu machen. Du ermutigst sie, ihr Leben, ihre Karriere, ihre Finanzen selbst in die Hand zu nehmen. Dafür erntest du regelmäßig Shitstorms in den sozialen Medien. Ist die Gesellschaft noch immer nicht bereit für Frauen, die sich – genau wie du – bewusst dafür entscheiden, ohne Ernährer und Beschützer an ihrer Seite auszukommen?
Mirna Funk: Ich glaube, dass die Menschen – und leider sind es vor allem Frauen – aus einer falschen Perspektive auf mich blicken. Sie scrollen durch meinen Instagram–Kanal und haben ein Narrativ von mir, das nicht stimmt. Sie sehen eine schöne Wohnung, mich in schönen Klamotten und denken: Na, die hat ja leicht reden, die musste in ihrem Leben ja auch noch nie etwas rocken. Das stimmt aber nicht. Alles, was ich habe, wurde von mir hart erarbeitet.
Inwiefern?
Ich stamme aus der Working Class, aus Ostdeutschland. Mit 17 Jahren zog ich von zu Hause aus. Meine Eltern haben die Schule nach der zehnten Klasse beendet, mich schon mit 18 Jahren bekommen und ihr Leben lang gearbeitet. Bereits als Teenagerin habe ich bis um vier Uhr in einer Bar gejobbt, meine eigene Wohnung, mein Leben finanziert und darum ein mieses Abi gemacht. Heute bin ich alleinerziehende Mutter. Das ist auch nicht immer leicht. Aber ich konnte mir die Entscheidung leisten, meine Tochter lieber allein großzuziehen anstatt mit einem Mann, der sich weder als Partner noch als Vater besonders hervorgetan hat.
Ist vielleicht genau das Problem, dass du einfach dein Ding machst?
Klar, es weckt unangenehme Gefühle und Fragen, wenn du siehst, dass eine andere dieses oder jenes durchgezogen hat und du selbst nicht, obwohl du einen ähnlichen Background hast. Und ich bleibe natürlich auch eine Überforderung für viele. Denn wenn ich finanzielle Unabhängigkeit fordere, dann fordere ich diese von Frauen. Ich sage ihnen, dass es niemanden gibt, dem sie die Schuld geben können – auch nicht dem Patriarchat. Sondern, dass sie entscheiden können, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.
Stimmt das denn immer, dass die Frauen es selbst in der Hand haben?
Ich habe viel Verständnis für alle möglichen Situationen. Das Leben und die Welt da draußen sind hart. Aber ich gehe nicht in diese Welt mit dem Glauben, dass sie mir, Mirna Funk, irgendetwas schuldet. Das ist vielleicht der Unterschied. Ich kenne meine eigenen Grenzen und meine eigenen Möglichkeiten. Ich kann auch nicht alles. Ich orientiere mich aber nicht ständig an dem, was ich nicht kann, sondern habe immer nur geguckt, worin ich gut bin und wie ich das nutzen kann, um zu überleben und voranzukommen.
Und das wollen viele nicht hören und reagieren mit Wut, wenn sie den Spiegel vorgehalten bekommen?
Ja. Sie sollten aber immer wissen: Ich will sie ermutigen. Denn ich selbst habe seit meinem Auszug von zu Hause ununterbrochen in einer existenziellen Angst gelebt, die ich erst vor etwa vier Jahren abgeschüttelt habe. Davor lebte ich in ständiger Panik, dass mich eine falsche Entscheidung auf direktem Weg in die Obdachlosigkeit katapultiert.
Du warst tatsächlich eine Zeit lang auf Hartz IV angewiesen – wie kam es dazu?
Das war während der Finanzkrise 2008. Alle Aufträge brachen weg. Gleichzeitig hatte ich eine größere Operation, durch die ich drei Monate nicht arbeiten konnte. Ich war fast 30, hatte eine abgerockte Zweiraumbude, saß auf meinem klapprigen Ikea-Bett und dachte, okay, das ist jetzt wohl mein Leben. Andere in meinem Alter starteten gerade voll durch. Und ich war trotz all meiner Bemühungen auf Hartz IV.
„Es gab eine Zeit in meinem Leben, da hatte ich nichts mehr zu verlieren. Mir ist damals sehr bewusst geworden, dass die einzige Person, die für mich verantwortlich ist, ich selbst bin. Mein Mindset ist aus einer absoluten existenziellen Not geboren, nicht aus existenzieller Geborgenheit.“
Wie hast du es geschafft, dich wieder aufzuraffen?
Ich habe mich gefragt, was ich machen würde, wenn ich noch mal neu anfangen könnte. Mir ist klar geworden, dass ich immer schon Philosophie und Geschichte studieren wollte. Das konnte ich nach dem Abi wegen meiner schlechten Noten nicht. Also habe ich noch mal studiert. Ich hatte ja nichts zu verlieren. Mir ist damals sehr bewusst geworden, dass die einzige Person, die für mich verantwortlich ist, ich selbst bin. Mein Money Mindset ist aus einer absoluten existenziellen Not geboren, nicht aus existenzieller Geborgenheit.
Warum fühlst du dich heute dennoch finanziell unabhängig?
Ich bin überhaupt nicht in einer Situation, in der ich es mir gemütlich machen kann. Aber ich kann von allem, was an Honoraren reinkommt, monatlich einen kleinen Teil zur Seite legen. Ich habe ein gewisses finanzielles Polster aufgebaut. Wenn ich mal drei Monate lang den Stift fallen lassen müsste, könnte ich trotzdem meine Miete zahlen und Lebensmittel kaufen.
Du sagst anderen Frauen, dass sie sich nicht unter Wert verkaufen sollen. Wie gelingt es dir selbst, deinen zu bemessen und auch hart zu verhandeln?
Ich lerne es ehrlich gesagt noch immer und meine Erkenntnis ist: Du kannst erst krass verhandeln, wenn du den Auftrag nicht zum Überleben brauchst. Wenn du auf ihn angewiesen bist, fällt es schwer, weil du abhängig und verletzlich bist. Ich bin jetzt glücklicherweise in einer Lage, in der ich sehr viele Anfragen habe und zeitlich gar nicht mehr alles annehmen kann. Wenn ich dann noch einen Auftrag dazwischen quetschen soll, kostet das eben. Mein Tipp: Nie das erste Angebot annehmen. Erst mal ablehnen und mehr verlangen!
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Wann hast du angefangen, dich mit Vermögensaufbau und Altersvorsorge zu beschäftigen? Wie wolltest du finanziell unabhängig werden?
Leider erst vor drei Jahren – vorher fehlten mir Geld, Wille und das nötige Bewusstsein. Ein Finanzworkshop bei meinem damaligen Arbeitgeber öffnete mir die Augen. Ich habe mich danach intensiv mit dem Thema beschäftigt und mir einen Honorarberater gesucht. Für mich investiere ich jetzt 300 Euro pro Monat in eine private Rentenversicherung sowie in einen ETF-Sparplan. Für meine fünfjährige Tochter Etta mache ich das Gleiche, allerdings mit 200 Euro.
Immer mehr Frauen interessieren sich auch für Einzelaktien. Würdest du da auch investieren?
Total gerne, mir fehlt aber die Zeit. Ich bin schon logisch und strategisch, aber auch zu verträumt, um die Dinge kühl zu kalkulieren. Und ich habe den Eindruck, dass du, um in Einzelaktien zu investieren, den Finanzmarkt gut kennen und beobachten solltest. Das wäre mir zu stressig.
Dann ist Kryptowährung wohl auch nichts für dich?
Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie ein guter Kumpel vor etwa zehn Jahren zu mir meinte: Hey Mirna, hier gibt’s was Neues, heißt Bitcoin. Investier’ da mal 100 Euro. Ich habe es nicht gemacht.
Also 2011 etwa. Da lag der Preis eines Bitcoin bei rund einem Euro. Hast du mal gerechnet, was deine 100 Euro heute wert wären?
Na klar, ich ärgere mich immer noch. Der Kurs lag zwischenzeitlich bei rund 50.000 Euro für einen Bitcoin, das wären fünf Millionen Euro gewesen. Aber ganz ehrlich – so lange hätte ich eh nicht durchgehalten, ich bin viel zu zappelig. Ich hätte spätestens bei 5000 Euro verkauft. Ich hätte mir ja auch nicht vorstellen können, dass es bis 50.000 gehen würde.
Du kaufst auch Kunst – als Investment oder weil du sie einfach magst?
Beides. Ich bin ein sehr ästhetischer Mensch. Bei mir zu Hause muss alles in einem harmonischen Zusammenspiel sein. Kunst spielt da eine große Rolle, um dieses visuelle Gleichgewicht zu erreichen. Aber natürlich versuche ich, auf möglichst aussichtsreiche Künstler*innen zu setzen.
Wonach wählst du die Werke denn aus?
Ich vertraue auf die Galerist*innen und kaufe nur Kunst von jungen, aufstrebenden Künstler*innen. Ich gucke mir an, wer der Person in den sozialen Medien folgt, in welchen Galerien sie vertreten sind, wo sie ausstellen. Und mir müssen die Werke auch gefallen. Sie müssen senden.
Was meinst du mit „senden“?
Ich glaube daran, dass Kunst erfolgreich ist, wenn sie nicht nur schön ist, sondern etwas transportiert. Ich bin da sehr intuitiv und vertraue meiner Einschätzung. Ich mochte Kunst schon immer, habe viel gelesen und Galerien besucht. Es ist mein Bereich, da kenne ich mich aus. Und wenn ich Geld übrighabe, investiere ich es in der Regel in Kunst.
Wie hoch sind denn die Beträge, die du dafür ausgibst?
Das schwankt, aber die Werke, die ich so kaufe, kosten um die 3000 Euro, mal 5000 Euro. Aber nie über 10.000 Euro. Das ist meine Höchstgrenze bislang.
Welche Rolle spielen die Künstler*innen selbst?
Ich kaufe nur Kunst von Personen, bei denen ich das Gefühl habe, dass sie in der Lage sind, sich einen Platz in der Kunstwelt zu erarbeiten. Bei einem Dinner lernte ich vor Kurzem Marianna Simnett kennen, die auf der Art Basel ausgestellt hat. Ich habe eines ihrer Bilder gekauft. Aktuell kann man eine Videoarbeit von ihr bei Julia Stoschek sehen. Dass ich das Bild gekauft habe, liegt auch daran, dass ich an sie glaube, und daran, dass ihre Werke an Wert gewinnen werden.
Wer sind denn deine Lieblingskünstler*innen?
Anna Nero , weil sie unfassbar talentiert und cool ist. Leon Kahane, weil seine Arbeiten extrem politisch sind. Das mag ich. Meine Romane sind es nämlich auch. Marlen Letetzki. Von ihr habe ich zwei Bilder. Dann noch Egle Otto, Nadine Schemmann und Alina Grasmann.
Du legst insgesamt viel Wert auf Ästhetik, fährst einen Porsche-Oldtimer, magst hochwertige Markenkleidung und stehst auf Designermöbel – auch das sind ja Vermögensgüter, die an Wert gewinnen können. Spielt das für dich beim Kauf eine Rolle?
Es geht mir primär darum, schöne Dinge zu nutzen. Ich kaufe lieber wenige, qualitativ hochwertige Sachen als viele Fast-Fashion-Produkte. Es ist dabei ein netter Nebeneffekt, dass Designerstücke meist ihren Wert behalten oder sogar noch steigern. Ich habe aber auch Sachen von H & M im Schrank. Noch bin ich nicht an dem Punkt, an dem ich nur noch Valentino und Prada tragen kann. Leider.
Wann wäre es so weit?
In fünf Jahren, wenn ich Millionärin bin.
Das kannst du so genau planen?
Ich habe mir fünf Jahre als realistisches Ziel gesetzt. Ich arbeite aktuell an einer TV-Serie, die hoffentlich in Produktion geht. Wenn das passiert, werden weitere folgen, weil so nun mal das Life läuft. Dazu kommt mein erstes Sachbuch, das ich gerade verkauft habe und das im Mai 2022 erscheint, und der Roman, der 2023 rauskommt. Mit jedem neuen Buch steigen meine Gewinne. Das heißt, 2023 werde ich vermutlich vier Bücher auf dem Markt haben und eine Serie. Das sind quasi fünf Produkte, die kontinuierlich Geld abwerfen. Danach ist es nur noch eine Frage der Zeit.
Wie viel Geld bräuchtest du, um dich rundum abgesichert zu fühlen?
20 Millionen Euro.
Wirklich? Gleich 20 Millionen?
Ja. Da würde ich mich das erste Mal abgesichert bis zum Tod fühlen. Und dieses Gefühl strebe ich nach fast 25 Jahren Struggle und immensem Workload an. Ich würde davon drei Wohnungen kaufen – eine in Berlin, eine in Tel Aviv und eine für meine Tochter, in der sie später leben kann. Dann hätte ich noch zehn Millionen übrig. Diese Summe gäbe mir dieses wohlige Gefühl. Am liebsten hätte ich sie auf dem Giro-konto, um immer drauf gucken zu können. Ich weiß, das ist Quatsch. Ich müsste das Geld investieren. Aber die Vorstellung, morgens beim Kaffee auf mein Konto zu schauen, und da liegen die zehn Millionen – das wäre herrlich.
Wenn deine Pläne aufgehen, wird deine Tochter ein dickes Geldpolster haben, wenn sie erwachsen ist – schon durch das Geld, das du für sie investierst. Wie bringst du ihr den Umgang mit Geld bei?
Ich rede mit Etta offen darüber, erkläre ihr, was Arbeit bedeutet. Mir ist wichtig, dass sie versteht, dass von nichts auch wirklich nichts kommt. Ich will ihr das Geld, das ich für sie investiere, auch nicht direkt geben, wenn sie 18 wird.
Wann dann?
Mit Ende 20. Sie weiß, dass ich für sie spare und ich würde ihr auch die Summe nennen, aber erklären, dass es schlau ist, das Geld investiert zu lassen. Ich bringe ihr bei, dass sie mit ihrem Kopf und ihren Händen selbst ihr Leben finanzieren kann – und das soll sie dann auch erst mal tun.
„Existenzangst ist ein krasser Driver. Es ist gesund, auch mal Angst zu haben und aus eigener Kraft über sich hinauszuwachsen. Das ist erfüllender, als alles Geld der Welt in den Schoß gelegt zu bekommen.“
Warum ist dir das so wichtig?
Weil ich erlebt habe, dass Existenzangst ein krasser Driver ist. Es ist gesund, auch mal Angst zu haben. Und ein gutes Gefühl, aus eigener Kraft über sich hinauszuwachsen. Das ist erfüllender, als alles Geld der Welt in den Schoß gelegt zu bekommen. Ich lebe jetzt ein Leben, das ich mir vor wenigen Jahren nie hätte erträumen können. Allein mit meiner Tochter und finanziell unabhängig. Ich möchte, dass Etta und alle Frauen da draußen begreifen, dass sie es selbst in der Hand haben, ihren Weg zu gehen. Jeden Tag aufs Neue.