Michelle Spitzer und ihr Startup eco:fibr machen vor, wie man aus Abfällen wertvolle Rohstoffe gewinnt. Mit ihrer nachhaltigen Vision konnte Michelle bei der Female Funding Roadshow in Köln überzeugen und sich den ersten Platz sichern.
Ihr Unternehmen stellt Zellstoff aus Ananas-Abfällen her und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft in der Textilbranche. Im Interview spricht Michelle über ihren Weg zur Unternehmerin, die Herausforderungen, die sie mit eco:fibr meistert, und ihre Erfahrungen bei der Roadshow. Außerdem teilt sie wertvolle Tipps für Gründerinnen, die ebenfalls in der nachhaltigen Branche durchstarten wollen.
Nachhaltigkeit als Geschäftsmodell und persönliche Mission
Wie bist du auf die Female Funding Roadshow von Businettes aufmerksam geworden und was hat dich zur Teilnahme motiviert?
Ich bin über LinkedIn auf das Format aufmerksam geworden. Ich folge der Businettes-Seite schon länger und fühlte mich von dem Post direkt angesprochen. Zudem stand mein Umzug nach Düsseldorf kurz bevor, und ich fand, dass das Event perfekt ist, um neue Kontakte zu knüpfen.
Wie hast du dich auf deinen Pitch vorbereitet und welche Schwerpunkte hast du dabei gesetzt?
Ich habe versucht, das Feedback aus dem ersten Auswahl-Pitch zu berücksichtigen und bin nochmals gezielt auf unseren Markt und das Pricing eingegangen. Da wir aktuell in der Finanzierungsrunde sind, sind wir auf vielen Events vertreten und dürfen regelmäßig pitchen. Dadurch bin ich derzeit gut in Übung, und meine Pitches, die jeweils 3-5 Minuten dauern, muss ich nur minimal an das jeweilige Event anpassen.
Was bedeutet der Gewinn der Roadshow in Köln für dich und für die Entwicklung von eco:fibr?
Was hat dich dazu inspiriert, Unternehmerin zu werden und in der nachhaltigen Textilbranche durchzustarten?
Meine Mit-Gründerin ist Merit Ulmer-Kasak. Ich hatte nie Vorbilder und war im Studium lange planlos, was ich konkret machen will.
Ich wusste nur, dass ich etwas Sinnstiftendes machen möchte und dass ich Abfälle und Reststoffe jeglicher Art super spannend fand. Im Master-Studium habe ich dann meine Mit-Gründerin Merit kennengelernt, die bereits an der Idee arbeitete. Ich war sofort begeistert von dem Konzept, aus einem Abfallprodukt etwas Neues entstehen zu lassen. Außerdem war ich beeindruckt von Merit als Unternehmerin und ihrer Energie. 2020 habe ich das Team ergänzt und irgendwann den Entschluss gefasst, mitzugründen.
Was betrachtest du als deinen bisher größten beruflichen Erfolg?
Welche Rolle haben Mentoren und Netzwerke bei der Gründung und dem Wachstum von eco:fibr gespielt?
Eine super große Rolle! Ich würde auch jeder Gründerin empfehlen, regelmäßig auf Netzwerkveranstaltungen zu gehen und sich Mentorinnen zu suchen. Als Mentorinnen zähle ich auf jeden Fall auch unsere Bestandsinvestorinnen, mit denen wir uns regelmäßig austauschen. Vieles mache ich zum ersten Mal, und für mich ist es enorm wichtig, mich auszutauschen und mich mit Gleichgesinnten zu umgeben.
Wie wichtig ist dir das Netzwerken in der Start-up-Szene, und wie pflegst du deine Kontakte?
Das ist bei mir auf jeden Fall noch ausbaufähig. Ich besuche regelmäßig Netzwerkveranstaltungen, achte aber auch darauf, mich damit nicht zu überfordern. In Hannover wusste ich genau, welche Events sich lohnen, und habe einen eigenen Female-Founder-Stammtisch gegründet, der sich einmal im Monat getroffen hat. Seit meinem Umzug nach Düsseldorf baue ich mir nun ein neues lokales Netzwerk auf und probiere verschiedene Veranstaltungen aus. Grundsätzlich genieße ich aber eher den kleineren, persönlichen Rahmen, den Stammtisch-Formate bieten.
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Welchen Rat würdest du anderen Gründerinnen geben, die gerade erst in die nachhaltige Mode- oder Textilbranche einsteigen?
Generell würde ich empfehlen, sich intensiv auszutauschen und an verschiedenen Programmen teilzunehmen – insbesondere sollte man sich gründlich mit der Zielgruppe auseinandersetzen. In den letzten vier Jahren haben wir gemeinsam mit produzierenden Unternehmen der Papier- und Kartonage-Industrie unser Produkt validiert. Oft ist die Industrie, obwohl sie zäh und konservativ wirkt, sehr offen für neue Innovationen und unterstützt gern bei deren Entwicklung.
Was war die größte Herausforderung bei der Gründung von eco:fibr – und wie hast du sie gemeistert?
Die größte Herausforderung für uns ist der Übergang vom Labormaßstab in den industriellen Maßstab – und daran arbeiten wir noch heute. Jede Skalierung in eine größere Dimension ist sehr kapital- und zeitintensiv. Dabei testen wir mehrere Schritte im Prozess und validieren fortlaufend unser Produkt. In unserer aktuellen Finanzierungsrunde sammeln wir 4 Millionen Euro ein und sprechen auch mit Venture-Capital-Geberinnen. In dieser Größenordnung ist es für viele Investorinnen wichtig, bereits Umsetzte vorzuweisen, was bei uns noch nicht der Fall ist. Zudem erwarten viele VCs, dass wir in den kommenden Jahren sehr schnell skalieren, was für ein impact-orientiertes Unternehmen wie unseres nicht immer einfach ist.
Wo siehst du dein Unternehmen in den nächsten fünf Jahren?
In den nächsten fünf Jahren sehe ich unsere Demoanlage bereits seit drei Jahren in voller Kapazität produzieren, um Zellstoff aus Ananaspflanzen herzustellen. Unsere Kundinnen haben marktreife Produkte entwickelt, und verschiedene Papierprodukte aus Ananaszellstoff sind im Handel erhältlich. Zudem sind wir weltweit im Gespräch mit potenziellen Lizenznehmerinnen, die Zellstoff aus ihren eigenen Agrarreststoffen herstellen möchten. Unser Team ist gewachsen, und sowohl die Mitarbeitenden in Costa Rica als auch in Deutschland fühlen sich bei uns wohl und sind motiviert, eco:fibr auf das nächste Level zu bringen.
Wie hast du deine Finanzierungsstrategie entwickelt, um das Wachstum von eco:fibr zu sichern? Gab es besondere Herausforderungen dabei?
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Kümmerst du dich selbst um deine persönlichen Finanzen? Legst du dein Geld an, und wenn ja, wie?
Ja, auf jeden Fall! Ich habe mich lange Zeit überhaupt nicht für Finanzen interessiert und in meinen 20ern während des Studiums von der Hand in den Mund gelebt. Das Geld, das ich neben dem Studium verdient habe, hat gerade so gereicht. Um mir meinen Master zu finanzieren, musste ich einen Studienkredit aufnehmen, da ich keine Unterstützung mehr von meinen Eltern bekommen habe. Diesen Kredit zahle ich zum Teil immer noch ab. Daher bleibt am Monatsende nicht viel übrig, um vorzusorgen. Trotzdem habe ich angefangen, kleine Beträge in Aktien und ETFs zu investieren, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie es sich anfühlt, wenn mein angespartes Geld wächst – oder durch Krisen auch mal sinkt.
Welche Tipps würdest du Gründerinnen geben, die an Wettbewerben wie der Businettes Female Funding Roadshow teilnehmen möchten?
SOFORT bewerben und nicht auf den perfekten Moment warten – also nicht denken, „nächstes Jahr habe ich größere Chancen zu gewinnen.“ Absage erhalten? Prima! Dann unbedingt nachfragen, warum, und nächstes Jahr wieder bewerben.