Mach den Check - bist du wirklich bereit, eine Wohnung zu kaufen?
Wer sich eine eigene Immobilie zulegen möchte, sollte wissen, worauf er sich einlässt. Katharina Brunsendorf und Jessica Schwarzer aus der Community von finanz-heldinnen.de geben als Geld-Expertinnen Entscheidungshilfe.
finanzielle: Die Immobilienpreise sind in den letzten Jahren gestiegen. Werden die Preise noch weiter anziehen oder ist der Markt überhitzt?
Katharina Brunsendorf: Es gibt unterschiedliche Untersuchungen dazu. Eine aktuelle Studie prognostiziert 2024 ein Ende des jahrelangen Preisanstiegs für deutsche Wohnimmobilien, zumindest für einen kurzen Zeitraum. Wie es sich wirklich verhält, müssen wir sehen.
Eigentlich ist Deutschland ja Miete-Land. Erleben wir da einen Wechsel?
Katharina: Wir stellen auch in unserer finanz-heldinnen-Community fest, dass immer mehr Menschen Fragen zum Thema Eigentum haben. Viele haben in den letzten Jahren auch durch Corona ihre Wohnsituation überdacht. Ich weiß nur nicht, ob es immer gleich die eigene Immobilie sein muss.
Viele Fachleute sind der Ansicht, dass man Immobilien nur als Kapitalanlage nutzen sollte, sprich: kaufen und vermieten. Lohnen sich selbst genutzte Immobilien wirklich nicht?
Jessica Schwarzer: Das kann man nicht pauschal beantworten, es hängt vom Preis ab, aber auch von der Lage und dem Zustand. Wichtig ist auch der steuerliche Aspekt. Bei selbstgenutzten Immobilien kann ich wenig absetzen, bei vermieteten hingegen sehr viel mehr.
Immobilien sind auch so beliebt, weil sie als sichere Geldanlage gelten. Stimmt das so pauschal?
Jessica: Eine absolut sichere Anlage gibt es nicht, jede Kapitalanlage birgt Risiken. Bei einer Immobilie können mir neben der Entwicklung am Markt Reparaturen, steigende Nebenkosten, Mietnomaden und Leerstand die Rendite verhageln. Und natürlich liegt der Gewinn im Einkauf. Überteuert sollten wir nicht kaufen. Eine solide, unabhängige Bewertung der Immobilie durch ein Gutachten ist zu empfehlen.
Welcher Kaufpreis ist angemessen?
Wer Immobilien zur Kapitalanlage nutzen möchte, hat häufig vor allem das Ziel, eine möglichst hohe Rendite zu erzielen. Das fängt beim Kaufpreis an: Eine wichtige Kennzahl hierfür ist der sogenannte Mietpreismultiplikator. Er gibt Aufschluss darüber, wie viele Jahresnettokaltmieten nötig sind, um die Immobilie inklusive all ihrer Nebenkosten zu finanzieren. Kostet eine Wohnung beispielsweise 250 000 Euro und liegen die Mieteinnahmen bei 10 000 Euro jährlich, läge der Mietpreismultiplikator bei 25 – es würde also 25 Jahre dauern, bis man den Kaufpreis durch die Mieteinkünfte wieder drin hätte. Dieser Wert gilt als gute Orientierung, bei hochwertigen Immobilien in sehr guten Lagen kann aber auch ein Mietpreismultiplikator von 30 angemessen sein. Wichtig ist bei der Berechnung auch die möglichen Sanierungskosten der Immobilie zu berücksichtigen.
Worauf sollte ich grundsätzlich achten, wenn ich eine Immobilie als Kapitalanlage kaufen möchte?
Katharina: Wichtig sind Lage und Zustand. Man sollte auch einen Blick in die Unterlagen des Hauses werfen: Dort stehen Beschlüsse oder wie hoch die Rücklagen in einem Mehrparteienhaus sind und welche Renovierungen anstehen; auch wie hoch die Verwaltungskosten sind. Es muss auch klar sein, an wen man eigentlich vermieten will – bei Studierenden sollte die Immobilie zum Beispiel WG-geeignet sein. Interessant sind zudem Entwicklungspläne von Städten oder Gemeinden, etwa wenn neue öffentliche Anschlüsse für Verkehrsmittel geplant sind oder Autobahnen gebaut werden sollen. Auch das beeinflusst den Wert einer Immobilie.
finanzielle-Tipp: Ob es eine Alternative sein kann, ein Ferienhaus zu kaufen – und unter welchen Voraussetzungen es eine clevere Investition ist, klären wir hier.
Auch ihr sagt: Die richtige Lage ist entscheidend. Aber in den sogenannten A-Städten wie München, Hamburg oder Berlin können sich viele Menschen gar keine Immobilie mehr leisten. Ist beim Kauf heutzutage Kompromissbereitschaft gefragt?
Katharina: Die Frage ist: Was ist für mich persönlich attraktiv und lässt sich mit meinem Lebensmodell vereinbaren? Das sollte zuerst geklärt werden. Es lohnt sich auch immer, vorm Kauf erst einmal ein wenig Zeit in diesem Umfeld zu verbringen und die Infrastruktur für sich zu testen.
Woher weiß ich, welche Immobilie ich mir leisten kann?
Jessica: Die Faustformel ist: Das 100-Fache des Nettomonatseinkommens kann finanziert werden. Grundsätzlich kann aber bis zu 100 Prozent des Immobilienpreises durch die Bank finanziert werden. Expert:innen raten, die Erwerbsnebenkosten dabei aus eigener Tasche zu zahlen. Mir wäre das aber zu wenig, denn so eine Finanzierung ist im Zweifelsfall sehr auf Naht genäht. Ein bisschen mehr Eigenkapital sollte es schon sein. Je mehr eigenes Geld an- fangs eingebracht wird, desto günstiger wird nämlich auch die Finanzierung.
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Wie hoch sollte die monatliche Rate gemessen am Einkommen sein?
Jessica: Das ist sehr individuell. Im Idealfall lässt man sich beraten. Grundsätzlich gilt aber, dass die Fixkosten nicht mehr als 50 Prozent meines Nettoeinkommens überschreiten sollten.
Gibt es eine Altersgrenze, ab der die Bank den Kauf nicht mehr finanziert?
Jessica: Nein. Für die Bank ist nur wichtig, dass sie das ausgeliehene Geld wieder zurückerhält. Ältere haben oft höhere Eigenkapitalquoten, da sie bereits gute Rücklagen ansparen konnten. Bei einer Finanzierung im höheren Alter sollte trotzdem die Rente berücksichtigt werden. Es kann sinnvoll oder sogar notwendig sein, die Tilgungsraten zum Renteneintritt zu reduzieren.
Zusatzkosten beim Immobilienkauf
10 bis 15 Prozent des Kaufpreises einer Immobilie muss man als sogenannte Nebenerwerbskosten zusätzlich einkalkulieren – für den Notar, den Grundbucheintrag, die Grundsteuer sowie eine eventuelle Maklergebühr. Dazu kommen gegebenenfalls Gutachten von Bausachverständigen. Ein Kurzgutachten kostet in der Regel maximal 500 Euro, ein Vollgutachten 0,5 bis 1 Prozent des Immobilienwerts. Aber: Baumängel erst nach dem Kauf festzustellen wäre viel teurer. Auch Sanierungs- und Instandhaltungskosten sollte man im Blick haben – und die damit verbundenen möglichen gesetzlichen Vorgaben: Bei einer Dacherneuerung könnte es in Zukunft etwa verpflichtend werden, eine Fotovoltaik-Anlage zu installieren, die – auch wenn sie sich langfristig rentiert – erst mal Mehrkosten verursacht. Es lohnt sich zudem, Kreditangebote zu vergleichen (z. B. über Portale wie Dr. Klein oder Interhyp). Auch kleine Nachkomma-Stellen im angebotenen Zinssatz läppern sich über die Jahre zu hohen Kosten.
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Welchen Spielraum habe ich bei der Gestaltung der Finanzierung?
Jessica: Es gibt Darlehen mit festem Zins oder variablem Zins. Ein Festzins ist sehr transparent, der Zins ist für die Laufzeit garantiert. Bei einem variablen Darlehen hat die Bank das Recht, den Zinssatz während der Laufzeit anzupassen, nach unten wie nach oben. Als Kreditnehmender trägt man dabei ein Zinsänderungsrisiko. Aktuell bewegen wir uns in einer sehr tiefen Zinsphase mit niedrigen Bauzinsen, teilweise unter ein Prozent. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese noch weiter sinken, ist gering.
Welche regelmäßigen monatlichen Kosten kommen noch auf mich zu?
Katharina: Bei einer Wohnung kommen zum Beispiel noch Kosten für Hausmeisterdienste oder Verwaltungen dazu. Auch bei Häusern müssen Gebühren für Müll und Abwasser oder auch den Schornsteinfeger neben den nötigen Versicherungen übernommen werden.
Jessica: Grundsätzlich sollte jede:r einen Notgroschen von drei bis sechs Monatsgehältern für alle Eventualitäten haben, Immobilenbesitzer:innen lieber mehr.
Viele scheuen sich, einen hohen Kredit aufzunehmen, weil sie fürchten, die Rate nicht immer leisten zu können. Kann man dieses Risiko absichern?
Jessica: Für diesen Fall sollte man darauf achten, dass der Vertrag die Option bietet, den Tilgungssatz entsprechend anzupassen, damit sich die monatliche Rate reduziert oder sogar kurzfristig ausgesetzt werden kann.