Frau töpfert: Bildungsurlaub
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Bildungsurlaub: Schon beantragt?

Obwohl du einen Anspruch auf fünf Tage Bildungsurlaub im Jahr hast, hast du ihn noch nie genommen? Warum das Investment in dich selbst so wichtig ist!

Bildungsurlaub? Ist das bezahltes Yoga?

Vermutlich geht es dir wie Millionen anderen Arbeitnehmer:innen. Obwohl du einen Anspruch auf fünf Tage Bildungsurlaub im Jahr hast (on top!), hast du ihn bis jetzt noch nie genommen. Wieso eigentlich nicht? Drei Frauen erzählen, warum du diese geschenkte Zeit nicht ungenutzt lassen solltest.

Heike war schon 15-mal im Bildungsurlaub

Feldenkrais auf der Fraueninsel im Chiemsee, Klimawandelforschung im Juister Wattenmeer, Klettern durch Berliner Schächte und stillgelegte U-Bahnhöfe: Ganz schön abwechslungsreich ist das, was Heike Albrecht schon so an Kursen und Workshops belegt hat. Ganze 15-mal war die 48-Jährige schon im Bildungsurlaub, zuletzt für eine Woche „Achtsamkeit und Stressbewältigung“ in Eckerförde. „Ich habe zwar festgestellt, dass Meditieren nicht so mein Ding ist, aber habe es zumindest mal ausprobiert“, resümiert Heike. „Das ist das Tolle am Bildungsurlaub: Ich kann viel über mich selbst herausfinden – was passt zu mir? Was hilft mir? Was stimuliert mich?“


Die Projektmanagerin ist seit fast 20 Jahren bei der Messe Berlin GmbH angestellt und dort für die Grüne Woche, die internationale Leitmesse für Ernährung, Landwirtschaft und Gartenbau, zuständig. Berlin ist eines von 14 Bundesländern, das Arbeitnehmer:innen per Gesetz fünf Tage Bildungsurlaub pro Jahr gewährt. Im Saarland sind es sogar bis zu sechs Tage. Während des Bildungsurlaubs (in manchen Bundesländern auch „Bildungszeit“ genannt) be- ziehen Arbeitnehmer:innen weiterhin Gehalt. Diese Tage dürfen nicht mit dem regulären Urlaubsanspruch verrechnet werden, sondern kommen on top. Es gibt nur zwei Bedingungen: Die Kosten für den Bildungsurlaub sind selbst zu tragen und die Weiterbildung muss im jeweiligen Bundesland offiziell als solche anerkannt sein. Über die verschiedenen Angebote und Rahmenbedingungen informiert etwa das Internetportal Bildungsurlauber.de, das Lara Körber 2020 ins Leben gerufen hat. Mit 1,2 Millionen User:innen jährlich ist es mittlerweile die größte Aufklärungs- und Buchungsplattform für Bildungsurlaub in Deutschland. Die 36-Jährige war vor der Gründung knapp zehn Jahre lang in Medienkonzernen und Agenturen tätig – von Bildungsurlaub hatte sie in dieser Zeit nie etwas gehört. „Leider gibt es keine gesetzliche Kommunikationspflicht auf Unternehmensseite, Bildungsurlaub wird deshalb oft nicht aktiv in Feedbackgesprächen oder im Intranet angesprochen“, bedauert Lara. „Viele Arbeitnehmer:innen kennen so ihr Recht auf Bildungsurlaub gar nicht.“

Bildungsurlaub

  • ist aktuell überall möglich, nur nicht in Bayern und Sachsen
  • gewährt Arbeitnehmer:innen per Ge- setz fünf Extratage bezahlten Urlaub pro Jahr für die eigene Weiterbildung
  • ist auch was für Teilzeitbeschäftigte: Die Anzahl der Bildungsurlaubstage orientiert sich in der Regel an der Wochenarbeitszeit
  • muss rechtzeitig beim Arbeitgeber beantragt werden. Die Fristen variieren in den Bundesländern und können einen Vorlauf von über zwei Monaten haben
  • wird von manchen Krankenkassen bezuschusst, wenn es sich dabei um zertifizierte Gesundheitskurse handelt
  • kostet Arbeitnehmer:innen zwar was (Kursgebühren plus gegebenenfalls An- reise, Unterkunft und Verpflegung) – die Ausgaben können aber als Werbekosten steuerlich geltend gemacht werden

Kerstins erste Bildungsauszeit

Auch Kerstin Ader (36) hatte schon häufiger mit dem Gedanken gespielt, Bildungsurlaub zu beantragen, verwarf die Idee aber immer wieder. In ihrem Bekannten- und Freundeskreis gab es niemanden, der von seinen Erfahrungen berichten und Tipps geben konnte. „Ich habe mich dann selbst ins Thema eingelesen und es voriges Jahr einfach ausprobiert“, erzählt die Bankkauffrau aus Hessen. Sie war innerhalb von zehn Jahren erst die Zweite, die im Unternehmen Bildungsurlaub beantragt hat. Mit der Portion Extra-Urlaub erfüllte sich Kerstin einen lang gehegten Wunsch. Sie buchte einen Spanischkurs in Andalusien und besuchte eine Woche lang die Academia Pradoventura in einem kleinen Bergdorf nahe Cádiz. Die Lehrkräfte waren Spanier:innen und sprachen keinerlei Deutsch. „Ich wurde direkt ins kalte Wasser geworfen, das war super und sehr effektiv“, sagt Kerstin. „Auch wenn der Kurs nur eine Woche ging, habe ich am Ende bereits viel verstanden – wenn auch natürlich nicht im Detail.“

In erster Linie hat die Bankkauffrau den Kurs für sich gemacht, sie wollte die Sprache schon länger lernen. Die erworbenen Kenntnisse können ihr aber natürlich auch im jetzigen oder späteren Job nützen. 2024 möchte Kerstin vielleicht wieder nach Andalusien reisen, um weiter an ihrem Spanisch zu arbeiten. Sie hat ihren diesjährigen Anspruch auf fünf Tage Bildungsurlaub nicht eingelöst, sondern aufs nächste Jahr übertragen lassen, und könnte dann gleich zwei Wochen Sprachferien machen. 

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Bildungsurlaub verfällt in der Regel nicht: Wer in einem Jahr die fünf Tage nicht nutzt, kann im darauffolgenden Jahr zehn Tage geltend machen – vorausgesetzt, man stellt bei der Personalabteilung einen entsprechenden Antrag.

Wer Bildungsurlaub machen möchte, sollte sich zunächst über die geltenden Regelungen informieren, denn diese fallen von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich aus. So haben Beschäftigte in Sachsen-Anhalt bereits nach sechs Monaten Betriebszugehörigkeit Anspruch auf Bildungsurlaub, in Baden-Württemberg dagegen erst nach zwölf Monaten. 

Und während einige Bundesländer einen gewissen inhaltlichen Bezug zum aktuellen Job fordern, können Arbeitnehmer:innen in Bremen Seminare und Workshops wählen, die nichts mit der beruflichen Tätigkeit zu tun haben. Ob die Ausbildung zur Yogalehrer:in in Travemünde (ab 1490 Euro), Coaching mit Pferden für Frauen in Führungspositionen (ab 845 Euro) oder ein Crashkurs im Schweißen (ab 500 Euro) – alles ist potenziell denkbar. Auch Wüsten-Retreats in Marokko (ab 1899 Euro, ohne Flug) und Englisch-Intensivkurse in Kapstadt (ab 455 Euro, ohne Flug) sind möglich. Auslandsaufenthalte sind aber nicht immer und überall erlaubt: Wer in Nordrhein-Westfalen arbeitet, darf seinen Bildungsurlaub maximal 500 Kilometer von der Landesgrenze entfernt machen.

Toll zum Netzwerken!

Projektmanagerin Heike erinnert sich noch gut an ihren ersten Bildungsurlaub vor über 15 Jahren. Damals entschied sie sich für einen Volkshochschulkurs zum Thema „Mediation – Vermitteln im Konflikt“. Ausgewählt hatte sie ihn vor allem deswegen, weil er einen Jobbezug hatte und die Bewilligung somit wahrscheinlich erschien. „Der Kurs war auch okay, aber danach habe ich mir gedacht: Wenn ich den Bildungsurlaub schon aus eigener Tasche bezahle, kann ich auch etwas egoistischer sein und ihn stärker nach meinen Bedürfnissen und Interessen aussuchen“, sagt die 48-Jährige. „Ich glaube fest daran, dass man mit jedem Bildungsurlaub etwas Positives in die Firma zurückbringt.“
Anfangs musste Heike einiges an Aufklärungsarbeit bei ihrem Arbeitgeber leisten – heute wird ihr Antrag locker durchgewunken. Die Fortbildungen haben sie ganz vielfältig bereichert. Heike hat nicht nur verschiedene Techniken erlernt, um resilienter zu werden und einem Burnout entgegenzuwirken. 

„Bildungsurlaube sind auch toll zum Netzwerken. Man trifft Leute aus unterschiedlichsten Branchen, räumt mit eigenen Vorurteilen auf und erweitert seinen Horizont. Diese Gelegenheit hat man ja nicht oft, Menschen aus völlig anderen Berufssparten kennenzulernen.“

Für Heike sind diese geschenkten Tage aber auch aus einem anderen Grund wertvoll: „Mein Mann macht jedes Jahr einen Männerurlaub und ich dafür Bildungsurlaub. Es ist eine Zeit, wo ich ganz für mich bin, ohne Mann und Kind. Es ist eine wichtige Zeit der Reflexion.“

Bildungsurlaub ist ein wertvolles Gut, dass es seit mehr als 40 Jahren gibt. Hamburg und Bremen waren 1974 die ersten, die das Recht auf bezahlten Bildungsurlaub einführten. Zuletzt machten auch Baden-Württemberg 2015 und Thüringen 2016 den Weg frei für mehr Weiterbildung. Einzig in Bayern und Sachsen ist es Arbeitnehmer:innen nach wie vor nicht möglich, Bildungsurlaub zu nehmen. In Sachsen startete im August dieses Jahres ein Bündnis aus Gewerkschaften, Parteien sowie kirchlichen, freien und sozialen Trägern einen Volksantrag auf Einführung von fünf Tagen Bildungs- urlaub pro Jahr. Doch obwohl über 20 Millionen Arbeitnehmer:innen Anspruch haben, reichen ihn laut Deutschem Gewerkschaftsbund bislang nur ein bis zwei Prozent überhaupt ein (Stand 2022).

 
Lara Körber von Bildungsurlauber.de

Lara Körber gründete 2020 mit Anian Schmitt Bildungsurlauber.de. Auf ihrer Plattform können sich Interessierte über Bildungsurlaub informieren sowie Kurse buchen, die offiziell anerkannt sind und bei Bedarf auch Kinderbetreuung anbieten

„Viele trauen sich nicht, den Extra-Urlaub für Weiterbildung zu beantragen“, weiß Lara Körber von Bildungsurlauber.de. „Vor allem dann nicht, wenn das Seminar oder der Workshop klingen, als könnten die Spaß machen und einen nicht nur im Job, sondern auch im Privatleben weiterbringen.“

Dabei darf Bildungsurlaub nur aus wenigen, im jeweiligen Gesetz verankerten Gründen abgelehnt oder verschoben werden. „Das kann der Fall sein, wenn eine wichtige Projektfrist ansteht oder andere Kolleg:innen zeitgleich im Urlaub sind“, so Lara. Sie rät, offen zu kommunizieren, was man sich vom Bildungsurlaub verspricht, und mit Arbeitgeber:in und Team den bestmöglichen Zeitpunkt zu finden.
Heike jedenfalls plant schon ihren nächsten Bildungsurlaub. Sie liebäugelt mit einem Digital-Detox-Seminar oder Qi-Gong-Kurs. „Ich könnte mir auch gut etwas Handwerkliches vorstellen“, sagt die Projektmanagerin. „Ich würde gerne etwas anfertigen und am Ende ein Ergebnis, ein sichtbares Produkt in den Händen halten. Das fehlt mir in meinem Job manchmal.“ Heike wünscht sich, dass Firmen den Bildungsurlaub aktiver bewerben: „Gerade in Zeiten von Fachkräftemangel können sie damit einen wichtigen Anreiz geben und attraktiver werden.“

Auch Kerstin ist sich sicher, dass Firmen profitieren, wenn sie Bildungsurlaub proaktiv unterstützen. „Klar fehlt man dem Unternehmen eine Woche mehr, aber ich komme da- nach mental fitter und motivierter zurück“, sagt die Bankkauffrau. „Ich kann jedem nur raten, diese Chance zu nutzen. Es geht hier nicht nur um eine Woche zusätzlichen, bezahlten Urlaub, sondern um eine weitere Möglichkeit, sich auf verschiedensten Gebieten weiterzubilden. Habt Mut, in euch zu investieren.“

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