Kristina Lunz im Interview
Stevy Hochkeppel

Kristina Lunz: „Zweifel werden strukturell produziert“

Aktivistin und Bestsellerautorin Kristina Lunz setzt sich für Feminismus, Menschenrechte und gesellschaftlichen Wandel ein. Im Interview spricht sie über Strukturen, die schwer zu brechen sind.

In deinem Buch “Empathie und Widerstand“ sprichst du über die Kraft der Empathie. Welche Rolle spielt sie für dich als Unternehmerin und Mitgründerin des Centre for Feminist Foreign Policy?

Empathie ist für mich kein „weiches“ Nice-to-have, sondern eine der radikalsten politischen Kräfte unserer Zeit. Als Unternehmerin und Mitgründerin des Centre for Feminist Foreign Policy war Empathie immer mein Kompass – besonders in der Teamführung, im Umgang mit Partner:innen und in politischen Entscheidungen. Sie hilft mir, über meine eigene Perspektive hinauszudenken, echte Beziehungen aufzubauen und Räume zu schaffen, in denen Menschen sich sicher fühlen, ihre Stimme zu erheben.

Du hast dein eigenes Unternehmen aufgebaut – was waren die größten finanziellen Hürden auf diesem Weg?

Die größte Hürde war: Finanzierung ohne Abhängigkeit. Ich wollte keine Kompromisse bei unseren Werten eingehen – und das macht Fundraising deutlich komplexer. Wir mussten kreativ sein, Allianzen schmieden, die bereit waren, neue Wege mitzugehen. Auch der Zugang zu Netzwerken, die üblicherweise Kapital vermitteln, war als junge Frau ohne wirtschaftliches Erbe eingeschränkt. Aber genau deshalb ist es so wichtig, dass wir darüber sprechen – und dass wir neue Finanzierungsstrukturen schaffen, die nicht nur die alten Machtverhältnisse reproduzieren.

Finanzielle Unabhängigkeit ist für Frauen ein zentraler Schlüssel zur Selbstbestimmung. Welche finanziellen Herausforderungen hattest du persönlich und was hast du daraus gelernt?

Ich bin ohne finanzielles Sicherheitsnetz, bestehend aus Rücklagen, Erbe oder „Vitamin B“, aufgewachsen. Das hat mich früh gelehrt, wie politisch Geld ist. Ich habe gelernt, bewusst zu priorisieren: Was ist wirklich wichtig? Wie kann ich Geld als Werkzeug für Gerechtigkeit nutzen, statt mich von ihm definieren zu lassen? Ich habe auch gelernt, wie viel Scham Frauen oft mit Geld verbinden – und wie wichtig es ist, diese Scham abzulegen und stattdessen offen über Geld zu sprechen.

In der Außenpolitik, aber auch in der Wirtschaft fehlt es oft an Frauen in Führungspositionen. Warum hältst du eine feministische Perspektive hier für so wichtig?

Weil die Welt sonst weiterhin aus der Perspektive einer privilegierten Minderheit gestaltet wird – wir sehen aktuell nur zu gut, wie die Herrschaft dieser “Strongmen” und der Broligarchie die Welt in eine riesige Krise stürzt. Eine feministische Perspektive rückt diejenigen ins Zentrum, die von Machtungleichgewichten betroffen sind – und genau das brauchen wir, um gerechtere Entscheidungen zu treffen. Es geht nicht nur darum, wer am Tisch sitzt, sondern wessen Lebensrealitätengesehen und berücksichtigt werden. Und das gilt in der Außenpolitik genauso wie im Wirtschaftssystem.
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In deinem Buch geht es um Widerstand gegen patriarchale Strukturen. Welche Rolle spielt finanzielle Macht in diesem Kampf?

Finanzielle Ressourcen sind Machtressourcen. Wer über Geld verfügt, kann agieren – wer nicht, bleibt oft reaktiv. Deshalb ist finanzielle Unabhängigkeit nicht nur eine individuelle, sondern auch eine kollektive, politische Frage. Um patriarchale Strukturen zu durchbrechen, brauchen wir feministische Investitionen, solidarische Ökonomien und gerechte Umverteilung. Geld ist kein neutraler Faktor – es trägt immer Ideologie in sich. Und deshalb müssen wir auch Geld feministisch denken.

Was war der Moment, in dem dir klar wurde: Ich muss mich für feministische Außenpolitik einsetzen?

Es gab nicht den einen Moment – es war ein Prozess. Aber als ich in internationalen Institutionen gearbeitet habe und gesehen habe, wie wenig Raum dort für Menschenrechte, Gleichstellung oder koloniale Kontinuitäten war, wurde mir klar: Das System braucht einen grundlegenden Perspektivwechsel. Die feministische Außenpolitik bietet genau das – sie stellt Machtverhältnisse in Frage, schafft neue Narrative und rückt Menschenwürde ins Zentrum.

Viele Frauen kämpfen mit Impostor-Syndrom oder Selbstzweifeln, wenn es um Karriere und Geld geht. Wie hast du es geschafft, diese Gedanken zu überwinden?

Indem ich verstanden habe, dass diese Zweifel nicht individuell sind, sondern strukturell produziert werden. Und indem mir bewusst wurde, wie viele unqualifizierte und unangenehme Männer in Machtpositionen sitzen und sich da breit gemacht haben. Wenn Frauen systematisch weniger Anerkennung, weniger Geld und weniger Sichtbarkeit bekommen, ist es kein Wunder, dass Selbstzweifel entstehen. Ich habe mir Verbündete gesucht, offen über meine Ängste gesprochen – und gelernt, dass Mut nicht das Gegenteil von Angst ist, sondern das bewusste Handeln trotzdem. Und mit jeder Erfahrung wächst das Vertrauen. Ein Motto von mir ist: “Carry yourself with the self-confidence of a mediocre White man.“

In der Startup- und Investment-Welt dominieren Männer – gerade in Finanzierungsrunden. Was muss sich ändern, damit mehr Frauen Zugang zu Kapital bekommen?

Es braucht feministische Geldgeber:innen, neue Bewertungslogiken und bewusst gesetzte Quoten. Solange Risikokapital männlich, weiß und elitär geprägt ist, werden sich auch nur bestimmte Narrative durchsetzen. Wir brauchen Räume, in denen nicht nur „skalierbare Gewinne“, sondern auch gesellschaftliche Wirkung zählt. Und wir brauchen Netzwerke und Mentoringprogramme, die Frauen gezielt fördern – ohne ihnen zu sagen, sie müssten sich einfach besser „verkaufen“.

Was bedeutet für dich wirtschaftliche Gerechtigkeit im Kontext feministischer Außenpolitik?

Wirtschaftliche Gerechtigkeit bedeutet: Zugang, Umverteilung und Anerkennung. Eine feministische Außenpolitik setzt sich dafür ein, dass wirtschaftliche Entscheidungen nicht auf Kosten von Frauen im Globalen Süden, von Arbeiter:innen oder marginalisierten Gruppen getroffen werden. Es geht um faire Handelsverträge, um Reparationen, um das Sichtbarmachen unbezahlter Care-Arbeit. Wirtschaft darf kein Selbstzweck sein – sie muss dem guten Leben aller dienen.

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Du sprichst über die Notwendigkeit von Systemveränderungen. Was können Frauen im Kleinen tun, um finanziell unabhängiger zu werden?

Jede kann beginnen, sich mit Geld zu beschäftigen – und sollte es. Wissen ist Macht, auch in Finanzfragen. Ich empfehle, sich mit anderen Frauen zu vernetzen, gemeinsam zu lernen, zu investieren, zu hinterfragen. Aber wir dürfen dabei nie vergessen: Nicht jede hat die gleichen Startbedingungen. Deshalb braucht es sowohl individuelle Strategien als auch kollektive politische Kämpfe für gerechte Strukturen.

Welche Rolle spielt Geld für dich persönlich? Hast du eine bestimmte Strategie für deine eigenen Finanzen?

Ich wurde sehr verantwortungsbewusst im Umgang mit Geld erzogen – und das hat mich stark geprägt. Gleichzeitig bin ich als Gründerin ein hohes finanzielles Risiko eingegangen, weil ich an die Vision geglaubt habe. Trotz dieser Unsicherheiten habe ich immer versucht, so gut es ging Rücklagen zu bilden. Ich investiere langfristig, unter anderem in ETFs, und sorge zusätzlich privat für das Alter vort. Für mich geht es nicht darum, möglichst viel zu haben, sondern ums bewusste und strategische Umgehen mit den Ressourcen, die mir zur Verfügung stehen – mit dem Ziel, Sicherheit zu schaffen und zugleich handlungsfähig zu bleiben.

Was bedeutet für dich Erfolg – und hat sich deine Definition davon im Laufe der Jahre verändert?

Erfolg bedeutet für mich: Wirksamkeit im Sinne meiner Werte. Wenn ich mit meinem Handeln etwas zu einer gerechteren Welt beitragen kann, ist das Erfolg. Wenn ich andere Menschen inspiriere, wenn ich solidarische Allianzen schaffe – dann fühlt sich das bedeutungsvoll an. Und: Erfolg darf sich verändern. Er muss nicht linear sein, sondern darf sich dem Leben anpassen.

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