„Jetzt brauchen wir was Echtes“, dachte Art-Direktorin Marie-Kristin Thiele, als der Hype um KI-generierte Bilder Fahrt aufnahm. Sie gründete als Gegenentwurf FROM, eine Online-Galerie für Fotografie mit Haltung, in der sie handverlesene, limitierte und in Berlin gedruckte Foto-Prints als Kunstwerke verlauft. Hier erzählt sie, welche Fotografien sich als Kunst-Investition lohnen – und wie man diese erkennt.
Wie kamst du auf die Idee, die Online-Galerie FROM zu gründen – und welche Philosophie steckt dahinter?
Marie-Kristin Thiele: Der Wunsch, ein Print-Business zu starten, kam schon auf, als ich visuelle Kommunikation studiert habe. Ich fragte mich, warum die Leute sich zu Hause nicht interessantere Dinge an die Wand hängen? Dabei dachte ich gar nicht unbedingt an Kunst — es wunderte mich einfach, dass viele Menschen sich wirklich rein dekorativ einrichten, also ohne persönlichen Bezug zum Bild.
Konkret wurde die Idee für FROM dann, als KI plötzlich allgegenwärtig wurde. In dem Moment dachte ich: Jetzt brauchen wir etwas Echtes! Etwas zum Anfassen, mit Rückgrat und einer echten Story. FROM’s Aufgabe ist also, Bilder anzubieten, die eine wahre Geschichte erzählen, erschwinglich sind und eine gesellschaftliche Haltung haben.
Wie läuft das finanziell für dich?
Seit der Gründung Anfang 2024 wächst der Umsatz stetig und stabil. FROM trägt sich schon jetzt selbst, aber leben kann ich davon noch nicht. Ich gebe aber FROM als Brand und den Editionen auch noch Zeit, sich in der Öffentlichkeit zu entfalten. Ich denke, dass es gerade in dieser ersten Phase wichtig ist, das Projekt optimal einzutopfen, damit es nachhaltig wachsen kann.
Lies auch:
Kann man mit Kunst Geld verdienen?
Künstlerinnen reden Klartext – über Geld. Kann man mit Kunst heute tatsächlich noch Geld verdienen, das haben wir Zeichnerin und Bildhauerin Simone Kesting gefragt.
Als künstlerische:r Fotograf:in Geld verdienen: Wie ist das heute deiner Meinung nach am ehesten möglich?
Ich denke, für die Karriere aller kreativ tätigen Menschen ist es grundlegend, ob du ein authentisches Sujet hast und dieses in einer besonderen Sprache kommunizieren kannst – oder nicht. Alle wichtigen künstlerischen Positionen, vor allem in der Fotografie, haben eins gemeinsam: Sie sind glaubhaft und haben einen langen Atem. Ihr Wert liegt in ihrer präzisen Konsistenz und Authentizität.
Klassische Reportage-Fotograf:innen sind meist dann erfolgreich, wenn sie tief in ihren Themen vergraben sind und wie besessen davon visuell berichten. Allerdings werden die Budgets für redaktionellen Content immer kleiner, während gleichzeitig immer mehr Bilder gebraucht werden. Eine Vielzahl an ambitionierten Fotograf:innen kämpft um jede gute Story. In der kommerziellen Fotografie tritt inzwischen auch noch KI gegen die Fotograf:innen an: irre!
Inwiefern trägt FROM dazu bei, dass die Kunst sich für Fotograf:innen trägt?
Mit FROM können wir die eben skizzierte Entwicklung nicht aufhalten — aber wir versuchen, den Bildern die Wertschätzung und Aufmerksamkeit zu schenken, die sie verdienen. Wir gehen ins Archiv der Fotografi:innen, suchen nach Stories, die immer noch relevant sind und bieten diese den Menschen an, die sich für die Welt interessieren und sich etwas Bedeutungsvolles zu Hause aufhängen möchten. So zelebrieren wir die Arbeit der Fotografin noch einmal und schaffen Aufmerksamkeit für das Motiv und die Story, die dahinter steht.
Wenn ich in Fotografie investieren will, wie sollte ich vorgehen? Sprich: welche Fotos warum auswählen?
Lies auch:
Sammlerstücke, die sich 2024 lohnen könnten
Sammeln ist mehr als Leidenschaft: mit den richtigen Objekten kann sich daraus ein kluges Investitionsmodell entwickeln. Was sich jetzt für dich lohnen könnte!
Was, wenn ich mir als Fachfremde mit dieser Einschätzung schwer tue?
Eine mögliche Abkürzung der Recherche ist das Lesen der Liste von Ausstellungen, Publikationen und Preisen: Hier siehst du, welche offiziellen Institutionen ihre Arbeit für relevant halten. Und hieran liest du auch ab, wie ambitioniert die Fotografin ist.
Recherchiere zudem, was die Fotografin sonst noch so macht: Ihre menschlichen Werte sollten zu deinen Werten passen — so entsteht nicht unbedingt finanzieller, aber für dich ein privater Wert. Wenn die Fotografin kommerziell fotografiert, schau genau hin, für wen sie gearbeitet hat.
Welcher Preis ist für einen Print denn angemessen?
Preise sind ein schrecklich komplexes Thema: Wir haben uns bei FROM auf einen Einstiegspreis für Fine Art Prints geeinigt. Ein Druck von 30 x 40 cm auf Papier von höchster Qualität für 240 Euro brutto ist und sollte das Minimum sein. Wir bieten unsere Prints aus politischen Gründen so günstig an: Wir wollen die Prints zugänglich machen, den Wert der Arbeit ausdrücken aber den Weg in den Kunstmarkt nicht verbauen.
Als Käuferin solltest du darauf achten, dass der Preis seriös ist, denn er spiegelt auch den Respekt der Fotografin vor der eigenen Arbeit. Mein Tip: Kauf nur den Print mit Provenance-Label und Rechnung — den Rahmen kannst du selber wählen und organisieren. So sparst du etwas Geld, beschäftigst dich mit der Arbeit und schaffst persönlichen Bezug und Wert.
Nach welchen Kriterien würdest du selbst ein Foto als Käuferin auswählen?
Wenn ich persönlich kaufe, recherchiere ich die Autor:innen, mehr als die Arbeit. Erkenne ich, da ist jemand, die für etwas brennt, die gar nicht anders kann und will, deren Sprache (ob Foto, Malerei oder Skulptur) nicht unbedingt schön, aber sehr speziell und vor allem konsistent ist – und wenn ich es mir leisten kann -, dann schlag ich zu.
Wer kauft denn so bei dir ein?
Wie erkenne ich eigentlich Fotos, die zugleich eine gute Geldanlage sind – da sie sich voraussichtlich noch im Wert steigern werden?
Um den Print später auf dem Secondary Market zu platzieren, musst du natürlich darauf achten, dass die Auflage klein und dass der Print mit einem offiziellen Provenance-Label und Rechnung ausgestattet ist. Und je kleiner und feiner das Gesamtwerk der Fotografin, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass gerade der Print, den du kaufen möchtest, eine Ikone wird. Ikonen sind Zeitzeugen, die ihre Zeit überdauern und dann für eben jene Zeit stehen. Suche nach dem Kommunizierenden im Motiv. Stell dir die Frage, wie die Fotografie in 50 Jahren funktioniert. Wird sie eine Geschichte erzählen? Welche? Steht diese Geschichte für unser Jetzt? Dabei spielt Größe meiner Meinung nach keine Rolle: Motiv und Kontext sind alles.