Die bewundernswerteste Frau Amerikas
Sie zog 2009 als erste schwarze First Lady ins Weiße Haus ein. Heute gehört Michelle Obama mit eigenem Podcast, Netflix-Projekt und zwei Büchern zu den Top-Influencerinnen. Am 15. November 2022 erschien „Das Licht in uns – Halt finden in unsicheren Zeiten“ zeitgleich in 14 Sprachen und 27 Ländern. Die Erwartungen sind hoch. Immerhin hat sich ihr erstes Buch „Becoming“ bis heute mehr als 17 Millionen Mal verkauft und ist damit erfolgreicher als jede andere Autobiografie einer ehemaligen First Lady. Schon während der Präsidentschaft ihres Mannes hat Michelle Obama ihre Stimme genutzt, um für sich und ihre Herzensthemen einzustehen. Als sie 2018 gefragt wurde, warum viele Frauen Inspiration aus ihren Worten ziehen, antwortete die 58-Jährige: „Ich glaube, es hat damit zu tun, dass ich mich selbst so mag, wie ich bin. Ich mag meine Geschichte und all‘ die Dellen und blauen Flecken, die dazugehören.“ Sie spricht freimütig über ihre Selbstzweifel, berufliche Herausforderungen und Schwangerschaftsprobleme (ihre Töchter Malia und Sasha kamen durch künstliche Befruchtung zur Welt). Viele honorieren diese Offenheit und Verletzlichkeit, wie eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Gallup zeigt. 2020 wurde Michelle Obama zum dritten Mal in Folge von der Mehrheit der Amerikaner:innen zur „bewundernswertesten Frau“ gewählt.
Ihr neues Buch enthält ihre wichtigsten Gedanken und Strategien, um mehr Zutrauen in sich und die eigenen Fähigkeiten zu entwickeln. Es geht aber auch um Gemeinschaft und gegenseitige Unterstützung. Michelle Obama weiß, wie wichtig dies ist. Als sie 2009 Amerikas First Lady wurde, stellte sie als Erstes ein Team zusammen, dem sie voll vertraute und das aufrichtig mit ihr kommunizierte.
„Umgib dich mit Personen, die dich tragen und ein ehrliches Interesse daran haben, das Beste aus dir herauszuholen.“
Michelle Obama in einem Interview mit ABC News Tweet
Nicht in Rollen drängen lassen, die du nicht willst
Ihr zweiter Rat lautet: „Wer die eigene Rolle nicht selbst definiert, bekommt von anderen schnell eine falsche zugeschrieben.“ Statt sich also ihren Kritikern zu ergeben, diktierte sie ihr eigenes Narrativ. Regte sich anfangs noch ein Teil der US-Medien über ihre ärmellosen Kleider auf, machte sie ihre muskulösen Oberarme kurzerhand zu ihrem Markenzeichen. Sie lancierte Initiativen zu Themen, die ihr persönlich sehr am Herzen liegen, wie beispielsweise die „Let’s Move!“-Kampagne für gesundes Essen und mehr Bewegung bei Kindern. In den USA ist laut dem CDC (Center for Disease Control and Prevention) jedes fünfte Kind übergewichtig. Auch ihre Tochter Malia hatte zeitweise damit zu kämpfen. Michelle Obama traf damit einen Nerv, was weit über ihre Amtszeit als First Lady hinaus wirkt. Für Netflix entwickelte sie die Kinderkoch-Serie „Waffles + Mochi“.
Mit Stipendium auf die Eliteuniversität
Nicht alle ihre Projekte hatten durchschlagenden Erfolg. Die „Let Girls Learn“-Initiative, ein Bildungshilfsprogramm für Mädchen aus Entwicklungsländern, wurde 2017 mit dem Ende der Präsidentschaft ihres Mannes aus Mangel an Geldern weitestgehend wieder eingestampft. Das Thema Bildung ist ihr aber nach wie vor sehr wichtig. Zwar ist Michelle Obama nicht in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, doch auch sie musste einige Hürden überwinden. Ihre Eltern Fraser und Marian Robinson waren einfache Arbeiter, die Familie lebte im Haus der Großtante. Als Michelle Obama ein Stipendium für die Eliteuni Princeton erhielt, tat sich eine ganz neue Welt auf. Während viele ihrer privilegierten Kommiliton:innen spezielle Vorbereitungskurse besucht hatten, musste sie sich, wie viele andere Studenten aus Arbeiterfamilien, erst einmal zurechtfinden.
„Es erfordert Anstrengung und auch eine Extraportion Selbstvertrauen, um in so einer Umgebung das Wort zu ergreifen und sich zu behaupten.“
Michelle Obama aus ihrer Biografie „Becoming“ Tweet
Hinzu kam, dass 91 % ihrer Mitstudierenden eine weiße Hautfarbe hatten und sie als Schwarze „wie Mohnsamen in einer Schüssel Reis“ hervorstach. Trotzdem fand sie sich zurecht und reüssierte – „indem ich zusätzlich Zeit investierte, bei Bedarf um Hilfe bat, lernte, mir meine Kräfte einzuteilen, und darauf achtete, nichts auf die lange Bank zu schieben“. Als Michelle Obama 2016 das City College of New York besuchte, erinnerte sie sich an diese Erlebnisse und appellierte an die Studierenden: „Betrachtet Herausforderungen und Hindernisse niemals als etwas Schlechtes. Die Erfahrungen, die ihr dabei sammelt, wenn ihr sie angeht und besteht, werden sich langfristig zu eurem Vorteil entwickeln.“
Michelle Obama hat ihr erstes Buch bewusst „Becoming“ genannt. Nichts hasst sie nämlich mehr als die Frage „Was willst du einmal werden?“. „Als ob man etwas wird und dann war’s das“, sagte die ehemalige First Lady 2018 im Gespräch mit Oprah Winfrey.
„Für mich hat jedes Jahrzehnt etwas Tolles gehabt, das ich mir so vorher nicht hätte vorstellen können. Und wenn ich aufgehört hätte, mich umzuschauen, hätte ich viel verpasst. Ich bin auch jetzt immer noch am Werden.“
Michelle Obama Tweet
Lange Zeit aber traute sie sich nicht, neue Wege zu beschreiten. Stattdessen streckte sie sich „pflichtbewusst nach der nächsten Sprosse“, wie Michelle Obama es heute selbstkritisch nennt. Nach Princeton und der Harvard Law School nahm sie 1988 ihren ersten Job als Anwältin bei der Kanzlei Sidley & Austin an. Schnell merkte sie jedoch, dass es sie nicht ausfüllte, 70 Stunden die Woche an einem Schreibtisch im 47. Stock eines Büroturms zu verbringen. Michelle Obama fing an, ihre Wünsche und Bedürfnisse ernsthaft und gezielt zu hinterfragen. Sie schrieb ihre Gedanken und Erkenntnisse auf – und kündigte schließlich ihren gut bezahlten Anwaltsjob. Sie wechselte zu Public Allies, einer Non-Profit-Organisation, die junge Erwachsene unter anderem in Leadership Skills schult.
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Schwergewicht ihrer Beziehung
Michelle Obama war für die neue Niederlassung in Chicago zuständig. „Seit ich denken konnte, war es das erste Mal, dass ich allein etwas von Anfang an aufbauen durfte“, erzählt sie. „Der Erfolg oder das Scheitern meiner Arbeit lag in meiner Hand, nicht in der eines Vorgesetzten oder einer anderen Person.“ Das gab ihr Selbstvertrauen – auch innerhalb ihrer Beziehung mit Barack Obama, den sie bei Sidley & Austin kennengelernt hatte. Sein „eindrucksvoller Intellekt und Ehrgeiz“ schüchterte sie anfangs ziemlich ein. Ihr war klar: „Ich musste rasch für meinen eigenen sicheren Stand auf zwei Beinen sorgen.“
30 Jahre nach ihrer Hochzeit mit Barack Obama halten viele Michelle Obama für das eigentliche Schwergewicht in der Beziehung. 50,7 Millionen Menschen folgen ihr heute auf Instagram – 15 Millionen mehr als ihrem Ehemann. Glaubt man den aktuellen Umfragen des Meinungsforschungsinstituts McLaughlin and Associates, hätte sie das Zeug dazu, die nächste Präsidentschaftskandidatin der Demokraten zu werden. Laut „The Guardian“ fürchten die Republikaner sogar nichts mehr, als dass Michelle Obama offiziell ihren Hut in den Ring werfen könnte. 2018 wiegelte die ehemalige First Lady politische Ambitionen ab: „Es gibt Millionen von Frauen, die als Präsidentin infrage kommen und die nötige Leidenschaft für Politik in sich tragen. Ich selbst hatte diesen Ehrgeiz nie.“