Karina Metzdorf präsentiert ihre Kolumne Pinkvestiert
finanzielle

Sollte ich jetzt in einen China-ETF investieren?

"Pinkvestiert" ist die neue finanzielle-Kolumne von Karina Metzdorf, zertifizierte Börsenhändlerin und Gründerin von Börse in Pink. In der ersten Ausgabe blickt sie auf das Potenzial des chinesischen Aktienmarkts.

So viel Wucht hat das China-Comeback

China ist ein Land, das nicht nur Geschichte geschrieben hat, sondern gerade dabei ist, sich neu zu definieren. Hier wurden das Papier, der Kompass, das Schießpulver und sogar das Papiergeld erfunden; Innovation liegt dem Land also seit Jahrtausenden im Blut. Heute setzt das Land mit E-Commerce-Ökosystemen, Künstlicher Intelligenz, Gesichtserkennung und Elektromobilität erneut Maßstäbe. Im neuen Fünfjahresplan verfolgt Peking ein ehrgeiziges Ziel: technologische Unabhängigkeit und vollständiger Verzicht auf ausländische Produkte. Made in China, für China. Das klingt nicht nur nach Größenwahn, sondern auch nach einem gigantischen Konjunkturprogramm für den eigenen Binnenmarkt.

Chancen ja, Risiken auch

Nach einigen Jahren voller Kursfrust meldet sich Chinas Aktienmarkt zurück. 2025 haben chinesische Indizes den MSCI World und sogar den MSCI Emerging Markets hinter sich gelassen. Kein Wunder: Die Regierung kurbelt die Wirtschaft mit massiven Stimuluspaketen an. Der Immobiliensektor stabilisiert sich langsam, Tech-Konzerne wie Alibaba und Tencent profitieren wieder stärker von staatlicher Unterstützung. Und die Bewertungen chinesischer Firmen liegen im internationalen Vergleich auf Schnäppchen-Niveau. Für Value-Investoren klingt das verlockend. Doch wer in China investiert, kauft sich mehr ein als nur günstige Kurse. Mit der Hoffnung auf ein Comeback holst du dir geopolitisches Risiko, staatliche Eingriffe und die Ungewissheit über echte Eigentumsrechte mit ins Depot.

Also, wie mutig bist du wirklich?

Wie viel Risiko willst du tragen, wenn Chinas Börse weiter Fahrt aufnimmt? Rendite gibt’s an der Börse nie ohne Risiko – und China liefert davon reichlich.

Die Regierung greift regelmäßig in den Markt ein, Unternehmen stehen unter strenger Aufsicht, und Spielregeln können sich in China schneller ändern als Aktienkurse. Heute Subventionen, morgen Sanktionen – an Chinas Börse wird’s nie langweilig.

Doch wer China komplett meidet, verpasst womöglich den nächsten großen Aufschwung in einem der dynamischsten Wirtschaftsräume der Welt.

So investierst du in Chinas Unternehmen

Wenn du jetzt denkst: „Okay, spannend – aber wie investiert man da überhaupt?“, dann bist du schon beim nächsten Punkt. Denn China ist nicht gleich China: Es gibt gleich mehrere Indizes, und jeder zeigt ein anderes Gesicht dieses riesigen Markts. Ein Blick auf die Details lohnt sich, vor allem wenn du wissen willst, worin dein ETF wirklich investiert. Im CSI 300 sind die größten und liquidesten A-Shares enthalten. Das sind Aktien aus Festland-China, gehandelt in Shanghai oder Shenzhen. Das ist der klassische China-Festland-Index mit Banken, Konsum und Industrie. Der Hang Seng Index besteht aus 50 großen Unternehmen, die als H-Shares in Hongkong gelistet sind. Dieser Klassiker und Leitindex für Hongkong ist stark von Tech, Finanzen und Immobilien geprägt. Und dann gibt es noch den MSCI China, den wohl bekanntesten China-Index und Standard für viele globale ETF-Anbieter. Hier findest du die großen Namen wie Alibaba, Tencent oder BYD. Er bietet umfassenden Zugang zum chinesischen Markt, ist aber stark von politischem Rücken- oder Gegenwind abhängig. Enthalten sind A- und H-Shares, dazu ADRs und Cayman-Holdings, also ein echtes Börsen-Potpourri mit geopolitischem Beigeschmack.

China-ETFs: Was du wirklich kaufst

Und dann sind da noch diese seltsamen Besitzkonstrukte. Wo du dir sonst mit einer Aktie einen echten Teil eines Unternehmens kaufst – und mit einem physisch replizierenden ETF viele davon auf einmal – ist das in China komplett anders. Denn Ausländer dürfen nur sehr eingeschränkt direkt in chinesische Firmen investieren. Der Zugang zum Finanzsystem ist streng reguliert. Selbst bei physisch replizierenden ETFs, sonst eigentlich ein Qualitätsmerkmal, stecken also nicht immer echte chinesische Aktien drin. Nur ein Teil der enthaltenen Unternehmen sind A-Shares oder H-Shares, die reale Sachwerte verbriefen. Viele andere Positionen sind über ADRs (US-Zertifikate auf ausländische Aktien) oder VIE-Strukturen abgebildet. Diese Konstruktionen sind juristische Umwege: Weil ausländische Eigentümer in vielen Branchen gar nicht zugelassen sind, gründen Konzerne Holding-Firmen auf den Cayman Islands, die über Verträge (nicht Eigentum!) mit der eigentlichen Firma in China verbunden sind. Kurz gesagt: Du investierst in China, aber ohne wirklich Miteigentümer zu sein.

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Währungsrisiken und politische Unsicherheit

Wie bei jedem Auslandsinvestment spielt auch hier die Währung mit, manchmal als Rückenwind, manchmal als Bremsklotz. Die meisten China-ETFs notieren in US-Dollar. Fällt der Dollar, drückt das auf deine Rendite (so wie seit Anfang 2025). Steigt er, gibt’s Schub nach oben. Wenn du auf solche Wechselkurs-Kapriolen lieber verzichtest, dann wähle einen währungsgesicherten ETF. Der nimmt dir zwar etwas Renditechance, dafür aber auch das Auf und Ab des Devisenmarkts.

Und dann ist da noch das Risiko, das nichts mit Bilanzen, sondern mit Politik zu tun hat. Sollte China tatsächlich Taiwan angreifen, könnten westliche Staaten ähnlich reagieren wie 2022 bei Russland: mit Sanktionen, Investitionsverboten und eingefrorenen Fonds. China-ETFs wären dann nicht wertlos, aber womöglich monate- oder jahrelang nicht handelbar. Dein Geld läge auf Eis bis die politischen Fronten wieder auftauen. Siehe Russland: das kann dauern.

Am verwundbarsten wären ADRs, sie könnten als Erstes unter US-Handelsverboten leiden. A-Shares und VIE-Strukturen würden durch Peking selbst gesperrt werden. H-Shares sind zwar frei handelbar, aber geopolitischer Druck macht auch vor Hongkong nicht Halt.

Strategie entscheidet

Du siehst: ein China-ETF ist kein Investment für die Ewigkeit, sondern ein strategischer Trade mit eingebautem Exit-Plan. Als kleine Beimischung im Depot finde ich China-ETFs derzeit hochspannend. Nicht als All-in-Wette, sondern als Extra-Schuss Renditechance für alle, die global denken und auch bei Kursschwankungen gut schlafen können. Wichtig ist, ihn als Zutat, nicht als Hauptgericht zu sehen und die Risiken immer im Blick zu behalten. Wenn du hier investierst, solltest du deinen Ausstieg schon beim Einstieg planen. Denn in China bekommst du wirtschaftliches und politisches Risiko im Doppelpack. Darum gilt: Ein klares Exit-Szenario gehört schon beim Kauf mit ins Depot. Das kann eine feste Haltedauer sein oder eine Kursmarke, ab der du Gewinne mitnimmst; und ganz sicher ein aufkeimender China-Taiwan-Konflikt. Ein Stopp-Loss ist natürlich Pflicht. Nicht aus Angst, sondern aus kluger Selbstverteidigung. Smart pinkvestiert: China darf rein ins Depot. Aber nur als Beilage, nicht als Hauptgericht. Fünf bis zehn Prozent genügen. Und sag rechtzeitig wieder „Tschüss“ oder „zàijiàn“.
Karina Metzdorf
Foto: Angelika Graf

Über Karina

Karina Metzdorf ist Elektrotechnikingenieurin, Hundemama und seit Jahren begeisterte Investorin an der Börse. Denn: „Ich wollte nicht bis zum Renteneintrittsalter arbeiten, sondern bereits früher ausscheiden und um die Welt reisen können.“ Diese Erkenntnis hat bei der heute 45-Jährigen nicht nur dafür gesorgt, dass das Investieren in Aktien, ETFs, Anleihen, Kryptowährungen und andere Anlageklassen ihr Hobby wurde – sie hat
auch, als ihr klar war, dass die meisten ihrer Freundinnen das ihrem Mann überlassen, die Website Börse in Pink gegründet.

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© Marcus Witte

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