Kira Marie Cremer
Aufgenommene Momente

Arbeit. Haltung. Geld. Wie Kira Marie Cremer zeigt, was New Work wirklich bedeutet

Kira Marie Cremer steht für eine Generation, die Arbeit neu denkt und dabei Haltung zeigt. Mit uns spricht sie über New Work, Female Leadership und den Mut, einen eigenen Weg zu gehen – auch dann, wenn er nicht geradlinig verläuft.

Kira ist Dozentin für Future of Work and Organizational Psychology, Mentorin, Speakerin, Autorin und eine der Stimmen, die zeigen, wie die Arbeitswelt gerechter werden kann. Sie macht sichtbar, was viele nur fühlen: dass Arbeit heute nicht mehr Selbstzweck ist, sondern Teil eines Lebens, das Sinn, Sicherheit und Selbstbestimmung vereinen soll.

Mit uns spricht Kira über New Work, und damit meint sie weit mehr als flexible Arbeitszeiten und Obstkörbe. Für sie ist das kein Buzzword, sondern eine Haltung: modern, menschlich, mutig. „Ich stehe zwar für New Work“, sagt sie, „aber wir sind viel mehr als unser Job.“ Karrierefragen, Businessalltag und Pain Points im Joballtag sind natürlich auch das Thema in ihrem neuen Podcast hotline hours.

Wenn dich jemand zum ersten Mal trifft – was erzählst du über dich?

Ich bin Kira, wohne in Hamburg, bin verheiratet und Hunde-Mama und es gibt für mich mehr als nur das Thema Arbeit. Ich stehe zwar für New Work, aber ich finde: Wir sind viel mehr als unser Job. Deshalb versuche ich auch, mich so vorzustellen, wenn jemand fragt: Was machst du denn?

Du hast dich ja stark auf den Berufseinstieg fokussiert. Müsste man damit nicht eigentlich viel früher beginnen, vielleicht schon in der Schule?

Ich glaube, das wissen wir alle: In der Schule lernen wir Dinge, die wir später nie wieder brauchen und das, was wir im Leben wirklich brauchen, lernen wir dort nicht. Das sollte sich dringend ändern. Eigentlich hätte es das längst tun müssen.

In unserer Studie, die wir gemeinsam mit einem Marktforschungsinstitut durchgeführt haben, haben wir 16- bis 24-Jährige befragt. Es sollte bewusst keine weitere Gen Z-Studie sein, sondern eine, die wirklich junge Menschen abholt. Auch jene, die vielleicht noch in der Schule sind. Und viele von ihnen haben gesagt, sie hätten sich schon ab der achten Klasse mehr Unterstützung für den Berufseinstieg gewünscht: etwa durch Praktika oder durch Eltern, die selbst gern noch besser wüssten, welche Möglichkeiten es heute gibt. Denn viele Eltern kennen vor allem die Berufe aus ihrem eigenen Umfeld, aber nicht die, die es heute gibt oder in Zukunft geben wird.

Genau dieses Verständnis fehlt häufig. Jungen Menschen fehlt eine Art Guideline: Wo fange ich an? Wie informiere ich mich? Wie finde ich heraus, was wirklich mein Traumjob ist? Das führt dazu, dass viele nach der Ausbildung oder dem Studium in einen Beruf einsteigen und nach ein paar Monaten merken: Das ist gar nicht das, was ich machen möchte. Sie fühlen sich dann verloren, lost, wie man heute sagt.

Viele glauben, sie müssten sich früh festlegen – Ausbildung, Studium, dann Beruf. Dabei verändert sich so vieles.

Ich finde, es ist überhaupt nichts Schlechtes, wenn man eine Arbeit anfängt und später merkt: Das ist nicht das Richtige. Uns wird oft beigebracht, wir müssten uns entscheiden eine Ausbildung machen, diesen Beruf dann für immer ausüben. Aber das Leben funktioniert heute anders. Selbst wenn man studiert hat und später etwas ganz anderes macht, ist das völlig in Ordnung. Es gibt so viele Wege, sich neu zu orientieren, weiterzubilden und einzusteigen – egal, wie alt man ist.

Dieses starre Denken, das in der Schule beginnt, passt nicht mehr zu einer Welt, die sich ständig verändert. Wir sind mit dem Gedanken groß geworden: Das macht man so. Das war schon immer so. Dieses Denken zieht sich bis heute.

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Gerade weil sich die Arbeitswelt so stark wandelt, spielen digitale Räume eine immer größere Rolle. Eine Plattform, auf der diese neue Arbeitskultur sichtbar wird, ist LinkedIn. Was bedeutet LinkedIn für dich persönlich?

Ich bin LinkedIn unfassbar dankbar. Diese Plattform hat meine Karriere möglich gemacht. Als ich mich 2022 mit dem Thema New Work positioniert habe, kamen plötzlich Anfragen: ob ich einen Podcast hosten, auf Konferenzen sprechen oder ein Buch schreiben möchte und bis heute darf mit dem, was mir Freude macht, meinen Lebensunterhalt verdienen. LinkedIn ist für mich deshalb mehr als nur ein Netzwerk – es ist eine Bühne, auf der Mut belohnt wird, wenn man Haltung zeigt und seine eigene Geschichte erzählt. 2022 habe ich dort auch offen über meine Depression gesprochen. Seitdem sehe ich mich als Mental-Health-Advocate. Es hat mich beeindruckt, wie viel Raum dort für Ehrlichkeit ist – für Erfolge, aber auch fürs Scheitern.

Du bist Dozentin, Mentorin, Speakerin – aber auch auf LinkedIn, Konferenzen und im Podcast sehr aktiv. Wie verdienst du eigentlich dein Geld?

Das werde ich tatsächlich oft gefragt. Einmal habe ich das sogar einer Schulklasse erklärt – einer AG für Medienkompetenz in meiner Heimatstadt. Ich habe ihnen gesagt: Stellt euch vor, ich bin wie ein Fernsehsender. Unternehmen kaufen bei Sendern Werbeplätze, und die Sender entscheiden, welche Partner zu ihnen passen. Genau so funktioniert auch mein Business.
Ich bin dieser Sender, nur eben auf mehreren Kanälen gleichzeitig: LinkedIn, Instagram, mein Podcast, mein Newsletter. Das wird heute Business Creator genannt. Content Creator kennt man schon lange, aber ich mache das Ganze im Business-Kontext.

Wenn wir über New Work sprechen – was bedeutet das konkret für dich, wenn es um Frauenkarrieren geht?

Das Thema Female Leadership ist für mich ein zentraler Teil von New Work. Es geht dabei nicht nur um Führung an sich, sondern um eine neue, empathischere Art zu führen und da bringen Frauen ganz viel mit. Es ist längst erwiesen, dass Frauen hervorragende und empathische Führungskräfte sind, genau das, was in vielen Unternehmen heute fehlt.

Für mich bedeutet New Work auch, Frauen endlich aus diesen alten Schubladen zu holen. Im Idealfall müssen Frauen in einer wirklich modernen Arbeitswelt nicht mehr zwischen Karriere und Privatleben wählen. Man kann beides haben, wenn Strukturen es zulassen. Das wäre für mich das wahre Ziel von New Work: eine Arbeitswelt, die nicht nur effizienter, sondern auch gerechter ist.

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Viele Frauen verdienen in den gleichen Positionen weniger als Männer. Was muss sich strukturell ändern, damit das gerechter wird? Liegt das auch an den Frauen selbst, weil sie sich manchmal unter Wert verkaufen?

Ich finde, Frauen tragen einen Teil der Verantwortung, aber die Hauptverantwortung liegt ganz klar bei den Unternehmen. Das Problem beginnt schon bei der Art, wie wir Vergütung verstehen. Wir bezahlen immer noch nach Zeit und das ist schlicht unfair. Manche Menschen sind schneller, liefern in kürzerer Zeit dieselbe Leistung, werden aber benachteiligt. Andere brauchen länger und haben dadurch am Ende sogar einen Vorteil. Natürlich kann man nicht in jedem Beruf nach reiner Leistung bezahlen, aber in vielen wäre das möglich oder zumindest eine Kombination aus Zeit und Ergebnis. Dieses Prinzip nennt man New Pay, und es gibt bereits großartige Beispiele dafür. Ein weiteres großes Thema ist Transparenz. Über Geld wird immer noch zu selten offen gesprochen – es ist schambehaftet, teilweise ein Tabu. Ich selbst versuche seit Beginn meiner Selbstständigkeit, offen damit umzugehen: Ich teile meine Stundensätze, spreche über Verhandlungen, besonders mit Menschen, die neu starten. Viele wissen gar nicht, wo sie anfangen sollen. Ich verliere ja kein Geld, wenn ich anderen helfe, mehr zu verdienen. Das Gegenteil ist der Fall: Wir gewinnen alle, wenn Wissen geteilt wird. Was sich ändern muss, ist also nicht nur die Gehaltsstruktur, sondern auch die Kultur.

Gab es Situationen, in denen du dich besonders beweisen musstest, als junge Frau, die in Business-Kontexten spricht und anderen zeigt, wie moderne Arbeit funktionieren kann?

Ja, total. Besonders in meinem ersten Job nach dem Master. Ich komme ursprünglich aus dem Event- und Marketingbereich und habe lange als Event-Regisseurin gearbeitet. Unsere Kund:innen waren große Unternehmen, wie Porsche, PwC, Telekom. Wir haben dort Events verantwortet, bei denen Vorstände und CEOs auf der Bühne standen. Während der Proben übernahm ich die Regie: Ich gab den Vorständen Anweisungen, wo sie stehen, wann sie sprechen und wie der Ablauf gestaltet ist. Aber ernst genommen wurde ich anfangs kaum. Ich erinnere mich noch genau an eine Situation: Wir standen auf der Bühne, die Proben liefen, und ich versuchte mehrfach, das Wort zu ergreifen, aber ich wurde einfach überhört. Die Runde redete weiter, als wäre ich gar nicht da. Dann kam mein damaliger Chef, ein älterer Mann, um die 60 und brauchte nur einen Satz: „Bitte hört auf Kira, sie leitet die Probe.“ Plötzlich war Ruhe. Und ich dachte mir: Traurig, dass es seine Stimme brauchte, damit meiner Gehör geschenkt wird.

Mut finden, zu gehen und einen neuen Job zu beginnen, ist ein großes Thema in Zeiten von New Work. Wenn man merkt, dass der eigene Job nicht mehr zum Leben passt: Wie findet man den Mut, etwas zu verändern oder sogar zu kündigen?

Wenn man sich wirklich nicht mehr wohlfühlt im Job, rate ich immer, zuerst das Gespräch mit der Führungskraft oder der Organisation zu suchen. Ich finde, man sollte dem Gegenüber die Chance geben, etwas zu verändern. Einfach zu kündigen, ohne vorher zu sprechen, halte ich für schwierig. Das ist im Grunde wie in jeder Beziehung: Wenn man einen Konflikt hat, sei es mit einer Freundin, einem Partner oder einer Kollegin, redet man erst einmal. Gibt dem anderen die Möglichkeit, die Situation zu verstehen und vielleicht gemeinsam eine Lösung zu finden.

Wenn sich allerdings nichts ändert, dann darf man gehen. Vielleicht nicht über Nacht, aber Schritt für Schritt. Oft spüren übrigens auch die Führungskräfte, wenn etwas nicht mehr passt. Ich sage immer: Wenn du sonntags Bauchschmerzen hast, weil Montag der Job wartet und du weißt, die Werte deines Arbeitgebers stehen im Widerspruch zu deinen eigenen, dann ist das ein klares Signal. Man muss keine Angst vor Veränderung haben. Besonders, wenn man Verantwortung trägt für eine Familie, für Kinder, für ein Zuhause braucht es Mut, klar. Aber es geht nicht darum, alles sofort hinter sich zu lassen, sondern darum, ein Stück Freiheit zurückzugewinnen. Und die steht jeder Person zu.

Was war dein größter Money-Mindset-Shift, also der Moment, in dem du angefangen hast, anders über Geld zu denken?

Ich bin in einem Haushalt aufgewachsen, in dem Geld immer sehr verantwortungsvoll behandelt wurde. Meine Eltern und auch meine Großeltern konnten gut damit umgehen. Ich selbst war allerdings das typische Kind, das dachte: Ich weiß es besser. Meine Mutter hat mir früh geraten, ein Haushaltsbuch zu führen, aber ich habe natürlich nicht auf sie gehört. 2017 war dann der Wendepunkt. Ich war nach meinem Bachelor für ein paar Monate in London, habe dort gearbeitet und mein ganzes Erspartes aufgebraucht. Als ich zurückkam, war ich pleite. Ich hätte meine Eltern um Hilfe bitten können, aber mein Stolz war größer. Stattdessen habe ich mir geschworen: Dieses Gefühl will ich nie wieder haben! Dieses Gefühl, nicht frei zu sein, weil das Konto leer ist. Ich habe in dem Sommer unglaublich viel gearbeitet, um mir mein Studium in Köln selbst zu finanzieren, und mir gesagt: Ich werde nie wieder ins Dispo gehen.
Heute investiere ich in ETFs und Aktien, habe vor ein paar Jahren eine Immobilie gekauft und denke langfristig. Ich weiß inzwischen: Ich möchte mich nicht mehr anstellen lassen. Das bedeutet aber auch, selbst Verantwortung für meine Altersvorsorge zu übernehmen.

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Warum tun sich Frauen so schwer damit, mehr Geld zu verlangen – und was würdest du ihnen für Gehaltsverhandlungen raten?

Oft liegt es daran, dass wir gelernt haben, sympathisch sein zu müssen, im Job genauso wie im Privatleben. Wenn Frauen etwas einfordern, sei es Geld, eine Beförderung oder einfach Anerkennung, gilt das schnell als fordernd, arrogant oder unsympathisch. Das ist tief in uns verankert, weil wir es so vorgelebt bekommen haben. Deshalb warten viele Frauen darauf, dass ihre Leistung gesehen wird, anstatt selbstbewusst darauf hinzuweisen. Wir gehen zu selten in die aktive Haltung. Mein Rat ist deshalb: Vorbereitung ist alles.

Ich empfehle, mit klaren Zahlen und KPIs zu argumentieren und den eigenen Marktwert zu kennen. Auch die Perspektive ist wichtig: zu zeigen, was eine höhere Vergütung für das Unternehmen bewirkt. Und ganz ehrlich: Mehr Geld zu verlangen ist kein Gefallen, den man sich vom Unternehmen erbettelt. Es ist ein fairer Austausch.

Welche Rollenbilder rund um Karriere und Weiblichkeit nerven dich am meisten und was setzt du ihnen entgegen?

Ganz schlimm finde ich dieses Schwarz-Weiß-Bild, das Frauen immer noch begegnet: Entweder Karriere oder Muttersein. Ich bin selbst noch keine Mutter, möchte es aber irgendwann werden und ehrlich gesagt, beschäftigt mich dieses Bild sehr. Es schreckt mich ab, weil es vermittelt: Entweder du entscheidest dich für deinen Job oder für die Familie. Natürlich gibt es inzwischen viele tolle Vorbilder, vor allem auf LinkedIn oder Instagram, die zeigen: Beides geht. Karriere und Mamasein. Aber gesellschaftlich ist das noch lange nicht angekommen. Und ich glaube, das geht sehr vielen jungen Frauen so. Sie fragen sich: Kann ich das wirklich schaffen?

Für mich gehört genau das zum Thema New Work. Es geht um Vereinbarkeit, um Flexibilität und um Vertrauen. Familie, Karriere, Selbstverwirklichung – all das darf man nicht länger getrennt betrachten. Es gibt heute so viele Möglichkeiten: Brückenteilzeit, Sabbaticals, Benefits, flexible Arbeitsmodelle. Aber Unternehmen klären darüber zu wenig auf, weil sie den Vorteil oft nicht sehen. Da braucht es mehr Vorbilder, mehr Aufklärung und vor allem den Willen, diese alten Entweder-oder-Muster endlich aufzubrechen.

Wenn du die heutige Arbeitswelt in einem Satz beschreiben müsstest – wie würde der lauten?

Wir leben in einer Übergangszeit – herausfordernd, manchmal kräftezehrend, aber voller Chancen für die, die jetzt den Mut haben, neue Wege zu gehen und durchzuhalten.

Und zum Abschluss: Welche beruflichen Ziele oder Projekte stehen dieses Jahr noch bei dir an?

Dieses Jahr wird ein kleines Abenteuer: ich bin gerade mit meinem Mann für ein halbes Jahr auf Weltreise. Das ist unsere Hochzeitsreise, die wir schon lange geplant haben.

Und trotzdem habe ich am 10. Oktober meinen neuen Podcast hotline hours gelauncht. Damit beende ich bewusst mein altes Format New Work Now, weil ich finde, das Thema New Work ist ein Stück weit auserzählt. Ich mache den neuen Podcast gemeinsam mit Selma Sadikovic. Selma ist angestellt, ich bin selbstständig, wir bringen also zwei Perspektiven zusammen. Das Besondere: Es wird ein Community Business Podcast. Die Community stellt Fragen, und wir bauen darauf unsere Folgen auf. Wir wollen keinen Podcast machen, in dem zwei Frauen nur über ihre Erfolge sprechen, sondern echte Gespräche führen. Außerdem veranstalte ich am 17. Dezember ein besonderes Event mit ArtNight. All diese Projekte verbinden, was mir am Herzen liegt: Menschen zusammenbringen, Gespräche anstoßen und neue Formen des Arbeitens und Lebens erlebbar machen. Für mich bedeutet das: Beruf und Leidenschaft sind keine Gegensätze – sie dürfen eins werden.

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