Jane Goodall über Träume, Tierliebe und Klimakleber
Jane Goodall wurde am 3. April 1934 in London geboren. 1960 begann sie, das Verhalten von Schimpansen im Gombe-Stream-Nationalpark in Tansania zu untersuchen. Für den Erhalt der Arten gründete sie 1977 das Jane-Goodall-Institut, in dem sie auch heute noch arbeitet. Die Aktivistin, Wissenschaftlerin und Ikone beeindruckte mit ihrem Kampf für die Tiere Menschen auf der ganzen Welt.
finanzielle: Als ich ein kleines Mädchen war, wollte ich kein Fleisch essen, weil mir die Tiere leidtaten. Aber meine Eltern machten sich Sorgen um meine Gesundheit und sagten, ich müsse es essen. Ich war damals 11 Jahre alt, mir fehlten die richtigen Argumente, um mich durchzusetzen. Aber dann sah ich im Fernsehen eine Frau, die erklärte, dass Tiere Gefühle haben, sie Schmerz und Angst empfinden. Also habe ich meinen Eltern gesagt, dass diese Frau mit Schimpansen gelebt hat und auch der Meinung ist, dass man Tiere nicht töten soll. Ihr Name war Jane Goodall und es war der Tag, an dem ich aufhörte, Fleisch zu essen. Bis heute habe ich seit genau 33 Jahren kein einziges Stück mehr angerührt.
Jane Goodall: Was für eine inspirierende Geschichte! Bei mir war es Peter Singers Buch „Animal Liberation“. Ich habe es damals gelesen, als ich noch nichts von Massentierhaltung wusste. Als ich das nächste Mal ein Stück Fleisch auf dem Teller hatte, sah ich nur noch Angst und Schmerz und konnte es nicht mehr essen.
Du hattest schon immer eine Leidenschaft für Tiere, schon als kleines Mädchen.
Ja, sogar für Regenwürmer. Meine erste Erinnerung, die mein Interesse für Tiere zeigt, ist ein Abend, an dem ich eine Hand voll Regenwürmer – samt Erde – mit ins Bett nahm und beobachtete. Fast jede Mutter hätte wohl mit Entsetzen reagiert, wenn ein Haufen Würmer und Dreck im Bett ihres Kindes gelegen hätte. Aber meine Mutter sagte nur: „Jane, ich glaube, die Würmer wären heute Nacht lieber im Garten. Im Bett werden sie sterben. Bring sie wieder dahin, wo sie sich wohlfühlen.“
Das zeigt nicht nur deine Faszination für Tiere, sondern auch, was für eine tolle Mutter du hattest.
Ja, sie hat mich immer bei allem unterstützt. Seit ich zehn Jahre alt war, wollte ich nach Afrika und mit Tieren leben. Alle lachten mich aus, außer meiner Mutter. Sie sagte, ich müsse hart arbeiten und Chancen nutzen. Wenn ich das täte, würde ich einen Weg finden, meinen Traum zu leben.
„Das Mindeste, was ich tun kann, ist, für diejenigen zu sprechen, die nicht für sich selbst sprechen können.“
Jane Goodall Tweet
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Du stammst aus einer Familie, die nicht viel Geld hatte. Wie ist es dir dennoch gelungen, deinen Weg zu gehen?
Ich konnte nicht zur Uni, weil wir es uns nicht leisten konnten. Also ging ich auf die Sekretärinnen-Schule und arbeitete als Kellnerin. Als ich genug Geld zusammen hatte, kaufte ich ein Ticket für die Schiffsüberfahrt nach Afrika.
Das klingt so simpel. Braucht man letztlich immer auch Geld, um seine Träume zu verwirklichen?
Bis zu einem bestimmten Grad. Ich brauche Geld, um das zu tun, was ich tun möchte. Ansonsten bedeutet es mir nichts und ich brauche persönlich auch nicht viel. Ich finde es im Gegenteil sehr traurig, dass Erfolg oft dadurch definiert wird, dass man Geld und Macht anhäuft. Meiner Erfahrung nach werden aber gerade die Menschen, die mehr und mehr besitzen, immer unzufriedener. Sie sind gefangen in der Gier, immer mehr zu wollen und in der Angst zu verlieren, was sie angehäuft haben. In Wirklichkeit braucht jeder Mensch nur genug Geld, um für seine Familie zu sorgen und Zeit in der Natur zu verbringen. Das ist für mich wahrer Reichtum.
Du hast in deinem Leben beneidenswert viel Zeit in der Natur verbracht – wie ist es dazu gekommen?
Als ich nach Afrika kam, arbeitete ich zuerst im Kenya National Museum. Dort lernte ich den Direktor, Louis Leakey, kennen. Er suchte eine Frau, die für ihn wilde Schimpansen studieren sollte. Er wollte jemanden mit unvoreingenommenem Blick, der nicht studiert und den Kopf voller Formeln und Zahlen hatte.
Und wieso musste es eine Frau sein?
Leakey glaubte, dass Frauen besser im Beobachten und geduldiger seien als Männer. Aber ich durfte laut der tansanischen Regierung als Frau damals nicht allein losziehen, sondern brauchte eine Begleitung. Also fragte ich meine Mutter und sie sagte sofort ja, packte ihre Sachen und begleitete mich in den afrikanischen Dschungel.
Das war mutig von ihr. Aber auch von dir. Hattest du nie Angst, wenn du auf der Suche nach den Schimpansen durch die bewaldeten Berge von Gombe geklettert bist? Es gibt dort ja auch Löwen, Schlangen und andere wilde Tiere?
Nein, ich hatte das Gefühl, dass ich genau an dem Ort bin, an dem ich sein sollte, dass es meine Bestimmung war dort zu sein und dass mir kein Unheil geschehen würde.
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Woher nimmst du deinen Mut?
Ich weiß es nicht genau, ich bin einfach so. Aber vermutlich liegt es auch daran, wie ich aufgewachsen bin. Ich hatte diese sehr unterstützende Mutter, die mich und meine Schwester immer ermutigt hat, unsere Träume zu verfolgen – auch wenn alle anderen uns sagten, dass es unmöglich sei. Das hat dazu geführt, dass ich noch nie wirklich aufgeben wollte. Es ist irgendwie absurd, aber wie auch immer die Situation ist, ich finde einen Weg.
Hast du einen Tipp für junge Menschen, die ihren Traum verwirklichen möchten?
Nun, die jungen Leute, die ich kenne, suchen sich einen Job und sparen Geld, so wie ich es getan habe, um nicht abhängig zu sein. Andere suchen sich Förderung oder bekommen Stipendien. Manche haben Eltern, die ihnen Geld geben. Es kommt darauf an, wer man ist und was man machen will. In jedem Fall sollte man auf eigenen Beinen stehen und sich seine Träume selbst erarbeiten.
„Ich treffe jeden Tag Entscheidungen und ich möchte jeden Abend mit dem Gedanken ins Bett gehen, dass meine Entscheidungen eine positive Auswirkung hatten und nicht eine negative.“
Jane Goodall Tweet
Wie sehr ist man in der Forschung und im Umweltschutz abhängig von Geldern?
Man ist auf Forschungsgelder und auf Spenden angewiesen. Irgendwie müssen die Projekte ja finanziert werden. Louis Leakey brauchte damals ein Jahr, um das Geld für mein sechsmonatiges Forschungsprojekt mit den Schimpansen von Gombe aufzutreiben. Und natürlich wird man sehr nervös, wenn man wochenlang im Gebüsch sitzt, das Geld verrinnt und die Schimpansen nur weglaufen, wenn man näher kommt. Es hat Monate gedauert, bis ich etwas berichtenswertes beobachten konnte.
Das war dann aber direkt eine Sensation.
Ja, ich habe dokumentieren können, dass Schimpansen Werkzeuge nutzen, also Äste oder Halme, um an ihr Futter zu kommen. Man hatte bis dahin geglaubt, dass nur der Mensch so etwas kann. Meine Entdeckung sorgte für einen völlig neuen Blick auf unsere und andere Spezies.
Du wurdest dennoch als „blonde Schönheit im Dschungel“ von vielen studierten Wissenschaftlern belächelt.
Das stimmt. Irgendwann wurde klar, dass ich noch einen Uniabschluss brauche, damit meine Arbeit anerkannt werden würde. Ich erhielt eine Ausnahmegenehmigung und konnte an der Universität von Cambridge promovieren.
Seither hast du das Jane Goodall Institut und unzählige soziale Projekte ins Leben gerufen. Du kämpfst seit Jahrzehnten für Natur, Tiere, Klima und nicht zuletzt uns Menschen. Aber statt besser, scheint die Lage immer aussichtsloser zu werden. Hast du noch Hoffnung für unseren Planeten?
Wir leben in dunklen Zeiten, das stimmt. Aber es gibt drei Gründe, warum ich immer noch Hoffnung habe.
Welche wären das?
Allen voran die jungen Menschen. Wenn sie sich wirklich leidenschaftlich engagieren, ihre eigenen Ideen haben und aktiv werden, dann verändern sie die Welt. Dann unser Intellekt, der uns von anderen Tieren unterscheidet und den wir leider bislang nicht weise genutzt haben. Aber wir beginnen jetzt, Wege zu finden, um in größerer Harmonie mit der Umwelt zu leben – indem wir alternative Energien nutzen und andere Formen der Landwirtschaft wiederentdecken, die regenerative Landwirtschaft, die Permakultur und die kleinbäuerliche Familienwirtschaft. Sie sind der Weg in die Zukunft.
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Aber könnten wir mit alternativer Landwirtschaft die Weltbevölkerung ernähren?
Ja, denn es hat sich gezeigt, dass es funktionieren würde, weil die Natur mehr und vor allem qualitativ hochwertigere Lebensmittel produzieren kann. Die industrielle Landwirtschaft schadet der Artenvielfalt, dem Boden und der menschlichen Gesundheit.
Was ist dein dritter Grund für Hoffnung?
Die Widerstandsfähigkeit der Natur. Die kahlen, gerodeten Hügel, die Ende 1980 die Umgebung des Gombe-Nationalparks prägten, gibt es dank unseres Wiederaufforstungsprogramms „Tacare“ nicht mehr. Die Menschen haben verstanden, dass der Schutz des Waldes nicht nur den Wildtieren oder den Bäumen dient, sondern auch ihrem eigenen und unser aller Wohl.
Warum dient ein Wald im fernen Tansania auch unserem Wohl?
Wir sind auf den Urwald angewiesen, weil er uns saubere Luft und sauberes Wasser liefert. Die Natur ist sehr widerstandsfähig und wird zurückkommen, wenn sie die Möglichkeit bekommt. Selbst Tiere, die vom Aussterben bedroht sind, können gerettet werden und erhalten eine neue Chance. Letztlich sind es Menschen, die sich scheinbar unmöglichen Herausforderungen stellen, nicht aufgeben und andere inspirieren.
Was können wir in unserem täglichen Leben tun, um unserem Planeten zu helfen?
Wenn wir nicht in extremer Armut oder Unwissenheit leben, können wir wählen, welche Art von Einfluss wir ausüben. Wir können wählen, was wir essen, was wir anziehen. Wir können Produkte kaufen, die bei ihrer Herstellung nicht der Umwelt schaden, die nicht aus Massentierhaltung stammen oder die nicht billig sind, weil sie zu unfairen Löhnen produziert werden. Wir können jeden Tag ethische Entscheidungen treffen und darüber nachdenken, ob wir uns zu Fuß, mit dem Fahrrad, dem öffentlichen Verkehrsmittel oder dem Auto fortbewegen.
Bringen solche Dinge wirklich etwas?
Viele denken: „Was würde das schon ändern, ich bin nur ein Mensch, ich kann keinen Unterschied machen?“ Aber man muss verstehen, dass es Millionen Menschen gibt, die anfangen, kleine ethische Entscheidungen zu treffen, die in der Summe zu großen Veränderungen führen. Einige von uns, die Start-ups gründen oder Vorstandsvorsitzende großer Konzerne sind, können sogar einen riesigen Unterschied machen, indem sie das Unternehmen nachhaltig ausrichten und einen Teil der Gewinne für die Umwelt spenden.
Es gibt immer mehr Klimaaktivist:innen, die zu radikalen Mitteln greifen und sich an Straßen festkleben. Was hälst du davon?
Ich denke, wenn die Leute vor einem Unternehmen protestieren, das die Umwelt schädigt, oder vor dem Parlament, weil es keine gute Politik macht, ist das richtig. Aber den Verkehr zu blockieren und die Bevölkerung davon abzuhalten, von der Arbeit nach Hause zu fahren oder ihre Kinder von der Kita abzuholen, ist kontraproduktiv.
Was könnte man dann tun, wenn man keinen anderen Ausweg mehr sieht?
Für mich besteht der Weg, Menschen zu verändern, darin, auf sie zuzugehen. Das tue ich über Geschichten. Ich kenne zum Beispiel den Geschäftsführer eines Konzerns, der acht Jahre lang daran arbeitete, die ethischen Grundsätze seines Unternehmens zu verbessern, weil die Gesetze und die Verbraucher es verlangten. Aber den entscheidenden Ausschlag gab seine Tochter, die ihn fragte: „Papa, stimmt es, dass das, was du tust, dem Planeten schadet?“
Du unterstützt auch selbst nachhaltige Unternehmen, wie zum Beispiel das Münchner Kaffee-Start-up Alrighty. Warum?
Alrighty hat verstanden, wie entscheidend es ist, als Unternehmen ethisch zu agieren. Es macht – gerade bei einem Allgemeingut wie Kaffee, der in fast jedem Haushalt zu finden ist – einen Unterschied, zu welchem Kaffee man greift, wenn man im Supermarkt steht – sowohl für das Klima als auch die Menschen, die den Kaffee anbauen. Das zeigt meine Erfahrung, die ich in Tansania gemacht habe. Als ich 1960 dorthin kam, war das Gebiet von einem großen Waldgürtel umgeben, der sich quer durch Afrika erstreckte. Nicht mal 30 Jahre später waren die Hügel kahl, die Bäume gefällt, um Land für die Nahrungsmittelproduktion zu gewinnen und Geld mit Holzkohle zu verdienen.
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Wie hast du reagiert?
Wir haben ein Programm gestartet, mit dem die Menschen ihren Lebensunterhalt verdienen können, ohne die Umwelt zu zerstören. Und da kam mein Engagement für Kaffee erstmals zum Tragen. Die Gegend war ein gutes Anbaugebiet. Aber als die Bäume weg waren, begann das Land auszutrocknen und der Kaffee hatte eine schlechte Qualität. Kaffee braucht Schatten, um gut zu gedeihen. Teil unseres Plans war es daher, Bäume zu pflanzen, die Natur wieder wachsen zu lassen und gleichzeitig den Kaffeebauern bessere Erträge zu bescheren und ein gutes Einkommen zu sichern.
Aber ist Kaffeeanbau nicht grundsätzlich schlecht für die Umwelt?
Fast keine Kulturpflanze ist klimafreundlich, wenn sie nicht auf richtig angebaut wird. Und die meisten unserer Lebensmittel werden leider in der kommerziellen Landwirtschaft als Monokulturen unter Verwendung von Pestiziden und Kunstdüngern angebaut. Kaffee, der im Schatten und organisch wächst, schadet der Umwelt weniger und hat in manchen Gegenden sogar zu einer Verbesserung der Umwelt geführt, da mehr Bäume gepflanzt werden.
Du trinkst auch – ganz gegen die britische Tradition – lieber Kaffee als Tee und nimmst deinen Kaffeekocher überall mit hin. Gibt es eine Lektüre, die du zu einer Tasse Kaffee empfehlen würdest?
Ich würde mich freuen, wenn viele Menschen mein jüngstes Buch lesen würden. Es heißt „Das Buch der Hoffnung“. Ich werde 90 Jahre alt. In meinen Lebensjahren habe ich hoffentlich etwas Weisheit und Verständnis für die schrecklichen Auswirkungen unseres Verhaltens erworben. Mein Buch der Hoffnung legt dar, was wir dem Planeten angetan haben, aber es liefert auch Gründe für Zuversicht. Darum sind auch meine Vorträge innerhalb von 24 Stunden ausverkauft. Sie haben alle Hoffnung im Titel und die Menschen brauchen dringend Hoffnung. Ansonsten würde ich „Herr der Ringe“ empfehlen – im Grunde ein Buch über den aktuellen Zustand der Welt. Wir wissen, wer die bösen Reiter sind, wir wissen, wer Sauron ist und wir müssen die Gemeinschaft des Rings aufbauen, um die bösen Mächte zu besiegen. Noch gibt es Hoffnung, es zu schaffen.